Wohl kaum ein anderes Thema erregt in letzter Zeit so viel Diskussionen: darf man, etwa in einer ruhigen kroatischen Ankerbucht, zusätzlich zum Ankergeschirr eine Landleine ausbringen und diese beispielsweise an einem Baum am Ufer befestigen – oder nicht?
Die Türkei führte das Landleinen-Verbot 2008 ein, Kroatien zog nach. Geschütztes Rechtsgut sind insbesondere die Bäume und Sträucher, die durch die starke, andauernde Beanspruchung der Leinen kaputtgescheuert oder gleich ganz herausgerissen werden können, aber auch die gesamte Umwelt. Das Problem: kaum ein Sportskipper hält sich daran.
Im Gegenteil: in dieser Saison sind gleich mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen die Crews von größeren Motoryachten extra lange Leinen quer über beliebte kroatische Ankerbuchten zum Land ausgebracht hatten, teilweise waren diese bis zu 100 Meter lang. Damit war ein Liegen für viele andere, kleinere Boote, für die eigentlich ausreichend Ankerplatz in der Bucht vorhanden gewesen wäre, schlichtweg nicht mehr möglich.
Landleinen sind schnell ausgebracht und können mehr Sicherheit bieten. Zudem sparen sie Platz in der Ankerbucht
Landleinen sind schnell ausgebracht und können – zusätzlich zum regulären Ankergeschirr – mehr Sicherheit bieten. Vor allem handelt es sich aber um ein bequemes und normalerweise auch platzsparendes Verfahren des Liegens.
Jahrelang war es gängige Praxis unter Sportbootskippern (und ist es auch heute noch), einfach einen Buganker auszubringen und dann mit dem Dingi einen geeigneten Baum in Ufernähe zu suchen, um daran per Palstek entsprechende Landverbindung(en) herzustellen.
Manchmal macht das auch durchaus Sinn, wenn nämlich beispielsweise auf steil abfallendem, steinigem Grund geankert werden muss. Hier besteht oft die einzige Möglichkeit darin, den Anker vorn in den Fels zu verkeilen, und nach hinten mit einer Landleine zu sichern, denn beim Schwoien würde ansonsten der Anker seinen Halt verlieren.
Haben alle anderen Boote den Anker ausgebracht, und man macht als einziges Boot zusätzlich mit einer (langen) Landleine fest, wird man zum Störfaktor
Oft ist jedoch eine Landleine entbehrlich, und es ist angemessen, sich für eine andere Variante des Liegens, etwa in einer Bucht mit vielen anderen Ankerliegern, zu entscheiden. Haben alle anderen den Anker ausgebracht, und man macht als einziges Boot mit einer oder mehreren heckseitigen Landleine(n) fest, wird man automatisch zum absoluten Störfaktor.
Doch die Frage, die sich viele Sportskipper stellen, ist: sind Landleinen, an Ufer-Bäumen befestigt, überhaupt erlaubt? Dazu gibt das kroatische Recht eine Antwort: nein, es ist nicht erlaubt.
Im „Pravilnik o uvjetima i načinu održavanja reda u lukama i na ostalim dijelovima unutarnjih morskih voda i teritorijalnog mora Republike Hrvatske“, wörtlich übersetzt etwa: „Regelwerk über die Bedingungen und Art der Aufrechterhaltung der Ordnung in Häfen und in anderen Teilen der Binnengewässer und des Küstenmeeres der Republik Kroatien“ des Ministeriums für Meer, Verkehr und Infrastruktur, wird auf das Problem Bezug genommen.
Das kroatische Recht verbietet das Ausbringen von Landleinen, wenn dadurch die Umwelt gefährdet werden könnte
Zwar spricht die Verordnung nicht explizit von einem Landleinen-Verbot, aber Artikel 45 führt etwa (zunächst allgemein) aus, dass es nicht erlaubt ist, Boote „an Dingen, die nicht zum Festmachen bestimmt sind“, anzubinden, insbesondere dürfen danach Boote nicht so festgemacht werden, dass „die Umwelt in irgendeiner Art und Weise gefährdet“ wird.
Außerdem darf auch die die Küste in keiner Weise beeinträchtigt (gefährdet) werden, was wohl auch ein Ausbringen der Landleine direkt an der Küstenlinie „unter Wasser“, also etwa durch ein Ausbringen und Verkeilen eines Heckankers in den Felsen, einschließen dürfte.
Schließlich regelt Artikel 49 allgemein, dass das Ankern „nicht die Navigation anderer Boote stören“ darf (wie etwa beim oben genannten Beispiel mit der extra langen Landleine, die quer durch die Ankerbucht verläuft).
Die kroatische Bootsfahrt-Verordnung in Binnengewässern verbietet ein „Festbinden oder Ziehen“ an Bäumen
Auch die Verordnung für die Bootsfahrt in Binnengewässern nimmt, obschon sie sich eigentlich auf den Binnenbereich bezieht, zu dem Problem Landleinen Stellung. Artikel 7.04 legt etwa fest, dass das „Festbinden oder Ziehen an Bäumen, Pflöcken, Zäunen, Grenzsteinen, Pfeilern, Eisenstufen oder Leitern und ähnlichen Gegenständen verboten“ ist.
Auch zum Problem des Anker-Am-Ufer-Ausbringens trifft diese Verordnung eine eindeutige Aussage (Artikel 11.19): danach dürfen „Anker und ähnliche Gegenstände, außer in Notfällen, nicht zum Zweck des Festmachens eines Bootes am Ufer ausgebracht“ werden. Analog könnte diese Vorschrift durch die Behörden auch auf andere Gewässer übertragen werden.
Das Landleinen-Verbot wird von den kroatischen Behörden selten kontrolliert und noch seltener bestraft. Oft hat man den Eindruck, dass die ausgebrachten Landleinen teilweise stillschweigend geduldet werden. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass die Gesetzeslage eindeutig ist, und dass die Behörden Verstöße gegen das Landleinen-Verbot ahnden können, wenn sie wollen – was sie vereinzelt durchaus auch tun.
Bei Verstößen drohen teils drastische Geldbußen
Die wegen Verstößen gegen die genannten Vorschriften verhängten Bußgelder werden anhand des kroatischen Schifffahrts-Gesetzbuches (Pomorski Zakonik) ausgestellt und können teilweise drastisch ausfallen. So wird zum Beispiel „eine Geldstrafe zwischen 398 und 6.636 Euro“ fällig, wenn der Skipper oder ein Crewmitglied die ihnen vorgegeben „Aufgaben an dem Schiff, der Yacht oder dem Boot im Bereich der Schifffahrtssicherheit, des Schutzes des menschlichen Lebens auf See und des Schutzes der Meeresumwelt“ nicht ausführen (Artikel 133).
Insofern hatte ein SeaHelp-Mitglied noch Glück, dass für ein Festmachen per Landleine im Limski-Kanal von den Behörden bei einer Kontrolle nur umgerechnet 796 Euro eingefordert wurden.
Wichtig ist, festzustellen, dass die genannten Verordnungen von Kroatien nicht im Alleingang auf den Weg gebracht wurden, sondern dass es sich hierbei um eine Harmonisierung mit bereits geltendem EU-Recht handelt. In anderen europäischen Ländern gilt das Landleinen-Verbot schon seit geraumer Zeit.
Die Praxis steht teilweise in schroffem Gegensatz zu den behördlichen Verboten
Soweit die Gesetzeslage. Die Praxis in Kroatien sieht jedoch oft anders aus. Fakt ist, dass – zumindest in der Hochsaison – der Platz in vielen Ankerbuchten nicht für die vielen Boote ausreichen würde, müssten diese sich nur auf das Ankern beschränken – der Schwojkreis, welcher bekanntermaßen bis zu 360 Grad betragen kann, würde das schlichtweg unmöglich machen.
Als Beispiel hierfür könnte etwa die mit Bojen bestückte Ankerbucht Uv. Krivica auf der Südwestseite der Insel Losinj dienen: in der Hauptsaison liegen hier oft bis zu 100 Yachten zwischen 20 und 70 Fuß Länge. Ohne die (eigentlich ja nicht zulässigen) Landleinen hätten dort lediglich fünf bis zehn Yachten Platz.
Als weiteres Beispiel für Ankerbuchten ohne Bojen könnte die Durchfahrt zwischen Planikovac und Marinkovac südlich der Stadt Hvar genannt werden. Auch hier liegen in der Hauptsaison oft 100 Yachten zwischen 40 und 120 Fuss Länge – ohne entsprechende Landleinen ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Liste der Ankerbuchten, in denen nur dank der verbotenen Landleinen ein Liegen von vielen Yachten gleichzeitig möglich ist, ließe sich schier endlos fortsetzen.
Das Argument „Landleine als Sicherheitsfaktor“ dürfte bei den kroatischen Behörden nicht ziehen
Auch das Argument, dass das Ausbringen einer Landleine durchaus ein Sicherheitsfaktor, etwa bei ungünstigen Wind- und Wetterverhältnissen, sein kann, ist sicher stichhaltig, auch wenn man als Gegenargument dann (aus Behördensicht) anführen könnte, sich dann doch lieber mehr nach dem Wetterbericht zu richten und die Törn-Planung entsprechend danach auszurichten – sodass man als Skipper gar nicht erst in eine solche unsichere Situation (bzw. Notlage, siehe oben) gerät, in der Landleinen als „Plan B“ ausgebracht werden müssen.
Einige Skipper und deren Crews bevorzugen zudem das Ankern mit zusätzlicher Landleine allein aus dem Grund, damit sie beim Baden am Heck der Yacht türkisfarbenes Wasser und vor Allem: den Grund unter sich sehen können. Auch dieses Argument, so verständlich es auch sein mag, sticht natürlich nicht gegen die geltende Gesetzeslage und kann bei einer Kontrolle nicht als „Ausrede“ benutzt werden.
Unabhängig von dem generellen Landleinen-Verbot in Kroatien gibt es jedoch ein paar Grundregeln, die beachtet werden sollten, wenn es doch einmal unumgänglich sein sollte, eine Landleine auszubringen:
- Die Landleinen sollten nie an Bäumen oder Sträuchern befestigt werden.
- Die Landleinen sollten stets mit Bojen oder Fendern markiert werden, wenn der Abstand zum Ufer größer als 15 Meter ist.
- Es sollte keine zu lange Landleine ausgebracht werden, als Faustregel gilt: maximale Länge der Leine = ca. doppelte Länge des Bootes.
- An Badestränden und belebten Küstenabschnitten sollte generell auf das Ausbringen einer Landleine verzichtet werden.
- Noch einmal: es sollte jedem Sportskipper bewusst sein, dass Landleinen in Kroatien grundsätzlich verboten sind, auch wenn in keinem der genannten Gesetzestexte das Wort „Landleine“ auftaucht.
Die skandinavischen Länder und die Türkei machen vor, wie es auch geht: durch Bereitstellung von Metallstangen und -pflöcken, die zum Befestigen von Landleinen genutzt werden können
Muss es auch nicht. Deshalb: sollte jemand Kritik an der oder den ausgebrachten Landleine(n) üben, sei es von den Besatzungen anderer Boote, von Behördenseite oder Einheimischen, ist es besser, diese umgehend zu entfernen und sich, wenn notwendig, einfach einen neuen Ankerplatz zu suchen.
Vielleicht könnte man sich ja auch ein Beispiel an den skandinavischen Ländern oder an der Türkei nehmen: hier wurden – teilweise von den Einheimischen selbst, aber auch von den Behörden – in beliebten Ankerbuchten (in denen ebenfalls ein Landleinen-Verbot gilt) Metallpfähle oder -ösen in die Erde gerammt oder in Beton gegossen, an denen man sein Boot sicher per Landleine vertäuen kann, ohne die Umwelt zu schädigen.
Übrigens: einige Sportskipper versuchen manchmal, ein ausgewiesenes Ankerverbot durch das Ausbringen von zwei Landleinen – vorne und hinten (in kleineren Buchten mit gegenüberliegenden Ufern) – zu umgehen – ohne Erfolg. Denn in diesem Fall kann es sogar passieren, dass der Skipper oder das jeweilige Crewmitglied zweimal zahlen müssen: einmal wegen Verstoßes gegen das Anker- und einmal wegen Verstoßes gegen das Landleinen-Verbot – Sinnhaftigkeit der Landleinen hin oder her.