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Vorhersage von Monsterwellen: KI soll zukünftig Kaventsmänner vorhersagen können

Eine Vorhersage von Monsterwellen, auch Freak Waves oder Rogue Waves genannt (Seeleute sagen Kaventsmänner dazu), galt bisher als unmöglich. Das könnte sich nun dank spezieller Feldmessungen und Künstlicher Intelligenz ändern.

Anfang Januar 1995 formt sich in Südschweden ein Tief mit großem Druckgradient. Der daraus resultierende Sturm fegt in südlicher Richtung über die Nordsee und wird immer schneller. In den späten Morgenstunden erreicht er Orkanstärke.

Rund 86 Seemeilen südwestlich der Südspitze Norwegens befindet sich die Ölbohr-Plattform Draupner E. Sie verfügt über mehrere für die damalige Zeit hochmoderne Messinstrumente zur Ermittlung der Wellenhöhe. Am Mittag erreicht die an der Plattform gemessene durchschnittliche Wellenhöhe rund zwölf Meter und verbleibt auf diesem Niveau – bis kurz nach 16 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt schlagen alle Messinstrumente auf Draupner E plötzlich aus: eine Welle ist viel höher als alle anderen. Sie erreicht 25,6 Meter – mehr als die doppelte durchschnittliche Wellenhöhe. Schäden an der Plattform auf dieser Höhe dienen als letzter Beweis für die Ausnahme-Welle: seitdem ist diese – damit erstmals überprüfbar nachgewiesene – Monsterwelle auch als sogenannte Draupner-Welle bekannt.

Monsterwellen – Wissenschaftler sagen Extremwellen – sind selten, sie sind nicht zu erwarten, und sie sind extrem steil. Das macht sie so gefährlich. Seeleute nennen diese Art von Einzelgänger-Riesenwellen Kaventsmänner – abgeleitet vom lateinischen Wort cavere, sich in Acht nehmen. Im Englischen sind die Begriffe Freak Wave (Verrücktenwelle) und Rogue Wave (Schurkenwelle) üblich.

Monsterwellen sind eine erhebliche Gefahr für die Schifffahrt – nun könnten sie schon bald vorhergesagt werden können

Das Problem: Monsterwellen sind eine erhebliche Gefahr für Schiffe, Offshore-Infrastruktur und andere maritime Ausrüstung, und natürlich auch für Sportskipper auf Langfahrt – eindrücklich geschildert etwa in dem Film Der Sturm (Originaltitel: The Perfect Storm), ein Katastrophenfilm von Wolfgang Petersen aus dem Jahr 2000, dessen Handlung auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1991 beruht.

Zuverlässige Monsterwellen-Vorhersagen könnten dieses Risiko für Operationen auf See mindern. Doch diese waren bisher Mangelware; zuverlässige Monsterwellen-Vorhersagen waren bisher schlichtweg nicht verfügbar.

Das könnte sich zukünftig ändern. In einem Beitrag von Thomas Breunung und Balakumar Balachandran, veröffentlicht am 18. Juli dieses Jahres auf nature.com, versuchen die Autoren, zu demonstrieren, wie Monsterwellen aus Feldmessungen vorhergesagt werden könnten.

Ein umfangreicher Bojen-Datensatz, der aus Milliarden von Wellen besteht, werde verwendet, um neuronale Netzwerke zu parametrisieren, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Beitrag. Dieses Netzwerk werde dann entsprechend „trainiert, um Wellen vor einer extremen Welle von Wellen zu unterscheiden, denen keine extreme Welle“ folge.

 

KI soll zukünftig Monsterwellen vorhersagen können.
© Sandra Geiger | Adobe Stock

 

Mit dem Studienansatz sollen drei von vier Monsterwellen eine Minute im Voraus vorhergesagt werden können

Mit diesem Ansatz könnten drei von vier Monsterwellen eine Minute im Voraus korrekt vorhergesagt werden, versprechen die Autoren; werde die Vorwarnzeit auf fünf Minuten verlängert, reduziere sich der Anteil genauer Vorhersagen auf “sieben von zehn Monsterwellen“.

Wie funktioniert das System? Nach der Studie von Breunung und Balachandran werden drohende Monsterwellen – vereinfacht gesagt – anhand von Bojendaten vorhergesagt. Die öffentlich verfügbaren Bojendaten werden nach Monsterwellen durchsucht und Tausende von 30-minütigen Zeitfenstern, die eine Monsterwelle enthalten, werden extrahiert.

Anschließend werden Meereswellen vor dem Monsterwellen-Ereignis extrahiert. Diese Messungen werden mit Aufzeichnungen gleicher Länge ohne Monsterwellen gepaart. Anschließend wird ein spezielles Netzwerk verwendet, um zwischen den beiden Klassen zu unterscheiden, nämlich einerseits Wellen, die einer Monsterwelle vorausgehen, und andererseits Wellen, auf die nicht unmittelbar eine Monsterwelle folgt. Dieses Netzwerk wird dann verwendet, um Monsterwellen vorherzusagen.

Schließlich werde gezeigt, dass die „Leistung des neuronalen Netzwerks, das auf ausgewogenen Datensätzen mit einer gleichen Anzahl von Monsterwellenproben und Nicht-Monsterwellenproben trainiert wurde, auf einen realen Ozean übertragbar“ sei, wo ein „viel höherer Prozentsatz von Nicht-Monsterwellenproben beobachtet“ werde.

Im Ergebnis könnten Monsterwellen „mit einer Vorwarnzeit von wenigen Minuten in der Zukunft weitgehend vorhersagbar“ sein, behaupten die Autoren in ihrer Studie. Und: da eine Monsterwelle nur ein Beispiel für ein Extrem-Ereignis sei, sei es auch denkbar, dass die Erkenntnisse aus der vorliegenden Arbeit auch zur Vorhersage des Auftretens anderer Extremereignisse genutzt werden könnten, beispielsweise „bei Waldbränden, seismischen Aktivitäten und möglicherweise sogar beim Klima“.

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