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Hände weg vom Steuer: Sind automatisierte Boote die Zukunft?

LiDAR-System auf Yachten - autonome Steuerung.
KI-generiertes Bild

Was sich für so manch einen Sportskipper wie ein Schreckenszenario anhört, wird doch in nicht allzu ferner Zukunft bereits zum Alltag auf dem Wasser gehören: KI sei Dank nutzt bereits der weltgrößte Schiffsbauer (und Muttergesellschaft von Avikus), Hyundai Heavy Industries, autonome Fähigkeiten, um Schiffe allein über den Ozean zu navigieren; der Mensch beaufsichtigt dabei nur noch. Nun hält KI auch auf Sportbooten Einzug. Ein wichtiges Bauteil dabei ist das LiDAR. Autonomes Bootsfahren – Pro und Contra.

Es kann einem schon ein wenig Bange werden, wenn man sieht, in welch rasantem Tempo künstliche Intelligenz (KI) sich in unsere Welt und in unseren Alltag integriert. Der Faszination KI auf der einen Seite steht dabei die Befürchtung entgegen, dass der Mensch irgendwann womöglich nicht mehr mit der Technik mithalten und diese nicht mehr völlig beherrschen kann, sich diese quasi verselbständigen könnte.

Doch so weit ist es womöglich ja noch nicht. LiDAR, eine Schlüsseltechnologie für autonomes Fahren, um die es in diesem Beitrag geht, war bisher lediglich bekannt durch den Einsatz in Level-3- und Level-4-Fahrzeugen auf der Straße, also bei teil- und vollautonomen Pkw. Während Tesla ausschließlich auf eine Kombi von Kameras und Radar für Autopilot und Full Self-Driving (FSD) setzt, nutzt etwa schon Mercedes-Benz das LiDAR-System für seinen Luxus-Stromer EQS für autonomes Fahren auf Level 3.

Weitere Beispiele sind neben dem neuen Volvo EX90, bei dem ein LiDAR-Sensor von Luminar schon bald das autonome Fahren auf Level 3 unterstützen soll, etwa auch der BMW i7 (Highway Assistant), der Audi A8 (Staupilot), Honda, Waymo, Lucid Motors und Toyota/Lexus. In den Startlöchern steht Rivian, der die LiDAR-Technologie für die künftigen Modelle R1T/R1s nutzen will.

Das LiDAR-System kann auch auf dem Wasser für eine äußerst präzise Navigation sorgen

Die Vorteile von LiDAR in Fahrzeugen liegen dabei auf der Hand: das System erkennt in Millisekunden andere Fahrzeuge, Fußgänger und Hindernisse mit hoher Genauigkeit, funktioniert – anders als herkömmliche Kameras – auch bei Dunkelheit und Regen, und sorgt durch die Erzeugung von 3D-Modellen und Tiefendaten für eine präzise Navigation.

Doch worum handelt es sich eigentlich bei einem LiDAR-System? LiDAR (Light Detection and Ranging) ist eine Technologie zur optischen Abstandsmessung und 3D-Kartierung. Es verwendet Laserstrahlen, um Objekte in der Umgebung präzise zu erkennen und Abstände zu berechnen. LiDAR wird oft mit Radar verglichen, jedoch nutzt es Lichtwellen statt Radiowellen, wodurch es eine höhere Genauigkeit und Auflösung bietet.

Wie funktioniert ein LiDAR-System? Ein LiDAR-System besteht aus drei Hauptkomponenten: ein Laser-Emitter sendet Laserimpulse (oft im Infrarotbereich) in verschiedene Richtungen aus. Empfänger (Sensoren) erfassen das reflektierte Licht, nachdem es von Objekten in der Umgebung zurückgeworfen wurde. Schließlich berechnet eine Recheneinheit (PU, Processing Unit) die Entfernung zu Objekten basierend auf der Laufzeit des Lichts (Time-of-Flight-Prinzip) und erstellt eine hochpräzise 3D-Karte der Umgebung.

Autonome Schiffe haben bereits den Atlantik überquert, nun hält KI auch auf Freizeitbooten Einzug

Ganz aktuell hält LiDAR nun auch in der Schifffahrt Einzug. Das macht auf den ersten Blick durchaus Sinn: durch die Aussendung von Laserimpulsen und die Messung der reflektierten Signale ermöglicht die Technologie eine absolut präzise Erfassung der Umgebung – auch auf dem Wasser. Dies kann besonders nützlich für die Navigation, Hinderniserkennung und Kartierung in maritimen Umgebungen sein.

Hyundai Heavy Industries, der weltgrößte Schiffsbauer und die Muttergesellschaft von Avikus, hat das als erstes Unternehmen erkannt – und umgesetzt. HHI nutzt bereits autonome Fähigkeiten, um Schiffe über Ozeane zu navigieren, wenn auch unter menschlicher Aufsicht. Die Tochtergesellschaft Avikus hat es einem kommerziellen Schiff ermöglicht, erfolgreich eine Ozeanüberquerung durchzuführen – und das völlig autonom.

Ein aktuell den Markt eroberndes Nebenprodukt dieser Aktivitäten heißt NeuBoat – eine Lösung, die vom kommerziellen Schifffahrtssektor von Anfang an mit der Absicht entwickelt wurde, parallel auch Innovationen für den Freizeitschifffahrts-Markt zu schaffen.

Die weltweit erste autonome Lösung für Freizeitboote heißt Raymarine x Avikus NeuBoat

Raymarine war einer der ersten Navigationselektronik-Hersteller, der auf die Aktivitäten von HHI und Tochter Avikus aufmerksam wurde. Raymarin hatte bereits eigene Erfahrungen mit sogenannten ADAS-Technologie-Systemen (Advanced Driver-Assistance Systems), ClearCruise und DockSense-Anwendungen. Beide Unternehmen vereinbarten daraufhin eine Partnerschaft mit dem Ziel, die weltweit erste autonome Lösung für Freizeitboote, das Raymarine x Avikus NeuBoat zu entwickeln und auf den Markt bringen.

 

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Die erste Lösung aus dieser Zusammenarbeit wurde kürzlich vorgestellt: das sogenannte NeuBoat Dock ist ein 360 Grad-View-Kamerasystem für das unterstützte Anlegen. „NeuBoat Dock lässt sich mit Axiom-Kartenplottern integrieren, beseitigt tote Winkel und ermöglicht stressfreies Anlegen“, heißt es von Herstellerseite.

NeuBoat Dock (und der nächste Schritt: NeuBoat Navigation) ist für neu gebaute Motorboote und Katamarane erhältlich und soll durch ein integriertes System mit separaten Kameras und einem LiDAR einen Überblick über das Boot aus der Vogelperspektive liefern können. Bis zu sechs Kameras sollen dafür sorgen, dass tote Winkel eliminiert werden, und die auf dem Display angezeigten Orientierungshilfen sollen zusätzliche Hinweise für enge Liegeplätze und Kais geben können.

Die Einbaupositionen der Kameras und des LiDARs sollen dabei dem individuellen Bootsdesigns angepasst werden. Die Anzeige erfolge über einen Axiom-Kartenplotter, heißt es bei Raymarine. Dieser soll dann einen einfachen Touchscreen-Zugang zur Benutzeroberfläche des Systems bieten.

Das LiDAR-System wird schon seit einigen Jahren in Booten eingesetzt

Dabei ist der Einsatz in Booten so neu nicht: Forschungsprojekte wie das „Roboat II“ haben bereits vor einiger Zeit autonome Wasserfahrzeuge entwickelt, die LiDAR-Sensoren für die Navigation in städtischen Wasserstraßen nutzen. Auch für die hydrographische Vermessung wurden in der Vergangenheit schon LiDAR-Sensoren auf Booten installiert, um Daten von Gewässern, Küstenlinien und Küstengebieten zu sammeln.

Auch das Unternehmen Velodyne wurde bekannt im Zusammenhang mit der Entwicklung von 3D-LiDAR-Sensoren, die in autonomen Booten eingesetzt werden. Nur ein Beispiel hierfür ist das Embry-Riddle-Projekt, bei dem ein Velodyne HDL-32E LiDAR-Sensor verwendet wurde, um ein unbemanntes Boot durch einen Hindernisparcours zu navigieren.

Die deutsche Sick AG stellt bereits 2D- und 3D-LiDAR-Sensoren für verschiedene Anwendungen, einschließlich maritimer Anwendungen, her; Riegl aus Österreich hat sich bereits seit mehreren Jahren auf die Entwicklung von LiDAR-Systemen spezialisiert und bietet Lösungen für die maritime Datenerfassung an.

LiDARs haben viele Vorteile, aber auch einige Nachteile

Neben den gewichtigen Vorteilen, die LiDAR-Systeme in Kombination weiteren Komponenten bieten können, gibt es aber auch einige Nachteile. Die Technologie ist (noch) ziemlich teuer und ist aus diesem Grund bisher nur (auf der Straße) in Luxusautos, sogenannten Robotaxis und weiteren teuren Fahrzeugen (auf dem Wasser: vor allem auf größeren Berufsschiffen) anzutreffen, allerdings fallen die Preise aktuell stetig und lassen die Systeme so in absehbarer Zeit auch für Sport- und Freizeitskipper erschwinglich werden.

In Relation zum Radar verfügt das LiDAR-System nur über eine begrenzte Reichweite: während einige LiDARs nur 200-300 Meter weit „sehen“, kann Radar mehrere Kilometer weit Hindernisse erkennen. Zudem gibt es (noch) Probleme bei hohen Geschwindigkeiten: Langstrecken-LiDARs sind aktuell noch sehr teurer und benötigen zudem stärkere Laser.

Schließlich können Nebel, Schnee und Regen unter Umständen die Laserreflektion stören und damit die Genauigkeit beeinträchtigen; auch Staub und Schmutz können die Ursache für fehlerhafte Daten sein.

Auch die komplexe Datenverarbeitung war zumindest in der jüngsten Vergangenheit noch ein Problem: ein LiDAR erzeugt schließlich riesige Datenmengen, die eine leistungsstarke KI und sehr hohe Rechenleistung benötigen, dies führte bisweilen zu Latenzproblemen bei der Echtzeitverarbeitung.

LiDARs können Smartphone-Kameras beschädigen, insbesondere bestimmte iPhone-Typen

Ein bislang noch nicht behobener Negativ-Effekt des LiDARs ist, dass dieser spezielle Laser unter bestimmten Umständen Smartphone-Kameras beschädigen kann, insbesondere bestimmte iPhone-Typen.

Apple führte LiDAR in seinen Produkten im Jahr 2020 ein. Zuerst war es im iPad Pro-Tablet, später in den Smartphones iPhone 12 Pro und 12 Pro Max und jetzt beim iPhone 15 Pro und iPhone 15 Pro Max zu finden (bei diesen Geräten befindet sich LiDAR in der Nähe der rückwärtigen Kameras, und zwar jeweils rechts unten). Auch das neue iPhone 16 Pro und Pro Max besitzt wieder ein LiDAR.

Das Problem: durch die Laserenergie können Pixel dauerhaft zerstört werden, Nutzer berichteten außerdem über bleibende rötliche Flecken und dunkle Streifen, jeweils nach dem Fotografieren oder Filmen von – betriebsbereiten – LiDAR-Sensoren.

Deshalb Vorsicht: möchte man ein auf einem Boot installiertes LiDAR-System fotografieren, sollte man das Smartphone auf keinen Fall direkt vor das aktives Gerät halten, es sollte vielmehr unbedingt darauf geachtet werden, dass beim Fotografieren das System entweder ausgeschaltet ist oder ein Schutzfilter bzw. eine geeignete Infrarot-Abschirmung beim Fotografieren / Filmen genutzt wird. Das gilt im übrigen für alle Arten von LiDARS, auch für die in autonom oder halbautonom fahrenden Pkw, bzw. Autos, die derzeit dafür vorbereitet werden.

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