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Geräusche an Bord: Es knistert im Boot – was ist da bloß los?

Es ist eines der wenigen verbliebenen „Mysterien“ der Sportschifffahrt, das scheinbar noch nicht oder nicht hinreichend wissenschaftlich erklärt werden konnte: geheimnisvolle, undefinierbare, zumeist nächtliche Geräusche an Bord bringen viele Crews an den Rand eines Nervenzusammenbruches. Doch was ist es wirklich, das da regelmäßig knistert, knallt, raschelt, prickelt und knackt?

Manche Crews beschreiben das Geräusch so, als würde jemand am Boot „knabbern“; sie behaupten, dass da „auf jeden Fall Garnelen beteiligt“ sein müssten, die sich – vor allem nachts – am Bewuchs des Unterwasserschiffes der Yacht zu schaffen machten. Manchmal höre man auch ein „dumpfes Geräusch“, was mit größeren Fischen erklärt wird, welche die Garnelen jagen, und dabei unvorsichtigerweise „gegen die Rumpfwand knallen“ würden.

Andere behaupten, da wären Enten am Werk (außen) oder Ratten (innen), die geheimnisvollen Geräusche stammten von „Kakerlaken, die unter den Bodenbrettern herumknispeln“ würden, oder es müsse „irgendwie mit dem Wachsen der Algen und Kalkwürmer am Rumpf“ zusammenhängen. Auch Muscheln wird oft die Schuld gegeben an den Unterwasser-Lärmemissionen, insbesondere wenn man „an Steinmolen festgemacht“ habe.

Die Diskussionsbeiträge im Netz sind vielfältig – und sie sind widersprüchlich

Andere Skipper fragen sich, ob es vielleicht sogar das mikroskopisch kleine Plankton sei, welches nicht nur leuchten, sondern eben auch Geräusche verursachen könne? Auch Lärm-Emissionen durch die „Oberflächenspannung des Wassers“, durch „Temperaturschwankungen am Unterwasserschiff“, „elektrostatische Entladungen“, „am Heck brechende Miniwellen“ oder „Blasenbildung durch ins Antifouling eindringendes Wasser“ (Geräusche wie bei „Mineralwasser im Glas“) bzw. „Kieselsteine am Grund, die durch das Wasser bewegt werden“, werden ernsthaft als Ursachen diskutiert.

Die Diskussionsbeiträge zu dem Thema „Knistern an Bord“ in verschiedenen Yachtforen gibt es seit langem, sie sind vielfältig, und sie sind widersprüchlich. Fest scheint nach Auswertung der wichtigsten nur zu stehen, dass es bisher keine fundierte wissenschaftliche Erklärung für die geheimnisvollen Geräusche an Bord gibt, welche die Crews schon mal nachts „das Boot komplett auf links drehen“, die kompletten Bodenbretter ausbauen, die Backskisten ausräumen oder die Salon-Innenverkleidung abbauen lassen.

Der Verdacht auf einen Defekt an der Yacht lässt viele Crews nicht schlafen

Auch der Verdacht auf gasende Batterien oder ein Leck („Blubbern“), Kurzschlüsse oder ein Kabelbrand an Bord („Zischen“, „Knallen“, „Knacken, als wenn elektrische Funken sprühen würden“) und der auf Grund gelaufene, rutschende Kiel sorgen – der seltsamen, undefinierbaren Geräusche wegen – oft für schlaflose Nächte, was jedoch zumeist nach einer Kontrolle definitiv als Geräuschquelle ausgeschlossen werden kann.

Doch das Geräusch, das so viele Crews kennen und fürchten, bleibt – „Dieses Knistern läßt sich nicht lokalisieren. Es scheint von überall und nirgends zu kommen. Darauf wird man hinaushorchen, aber draußen ist es nicht zu hören. Es kommt irgendwie aus dem Schiff“, schreibt ein Blogger treffend. Also ist hier doch der Klabautermann, der Gute Geist eines jeden Schiffes, am Werk?

Mitnichten. In einem Beitrag aus 2020 wurden von der Crew der SolarWave, vor Igoumenitsa ankernd, erstmals ernsthaft die kleinen Pistolenkrebse (snapping shrimp, auch bekannt als „Knallkrebse“) als Ursache für die nächtliche Ruhestörung verantwortlich gemacht: „Wir hören Tag und Nacht ein Knistern am oder im Bootsrumpf, das in dieser Bucht besonders laut zu sein scheint.”

Die Geräusche „wie eine Popcorn-Maschine“ sind überall im Rumpf zu vernehmen

Das Geräusch ist ein unregelmäßiges lautes Prickeln, das von überall und nirgends zu kommen scheint, ein Geräusch, das sich so anhört wie sich die Knallbrause am Gaumen angefühlt hat, die ich mir als Kind genüsslich aus kleinen Tütchen in den Mund gestreut habe. Oder wie eine Popcornmaschine.

Es sei „ein Geräusch, das überall im Rumpf zu hören ist; in der Bilge ist es am lautesten“, schreibt Crewmitglied Susanne Viczian, die zu dem Schluß kommt, dass dieses Geräusch nur von Knallkrebsen verursacht worden sein könne.

Die Knallkrebse (Alpheidae), auch Pistolenkrebse genannt, sind eine artenreiche Garnelenfamilie, die eigentlich aus den Tropen und Subtropen stammen, aber auch in gemäßigten Breiten und sogar im Brack- oder Süßwasser leben. Der Name leitet sich davon ab, dass viele Arten mit einer ihrer beiden Scheren ein lautes Geräusch – ähnlich einem Knall – erzeugen können.

Knallkrebse verschießen einen Wasserstrahl mit einer implodierenden Kavitationsblase

Wie das funktioniert? Nun, eigentlich ganz einfach: die Krebse stoßen beim Schließen ihrer „Knallschere“ blitzschnell einen Wasserstrahl aus, der eine Kavitationsblase bildet (kennt man von vielen konventionellen Bugstrahlern) – diese implodiert sodann und erzeugt das Geräusch, welches wir als „knallen“ interpretieren.

Nicht hinreichend geklärt scheint in der Wissenschaft zu sein, ob das laute Geräusch nur ein Nebeneffekt ist, oder ob es den kleinen Garnelen eigentlich nur um den Wasserstrahl geht, welchen sie – in Kombi mit der implodierenden Blase – als Warnung, im Kampf mit Artgenossen, beim Beutefang oder zur innerartlichen Kommunikation einsetzen.

„Pistolenkrebse“ störten durch die Knallgeräusche angeblich sogar das Sonar des Militärs

Wie auch immer, durch die lauten Knallgeräusche wurden die Krebse bekannt, vielleicht kann man sogar behaupten: berühmt-berüchtigt, denn angeblich störten sie während des Zweiten Weltkriegs durch ihre Knallgeräusche sogar die Sonarortungen des Militärs. Fakt ist, dass die Pistolenkrebse kleine Krabben, Würmer und kleine Fische durch den Druck kurzzeitig betäuben können. Den Rest erledigen dann schnell die Scheren.

Möglicherweise kann die zunehmende Meereserwärmung zu einer Verstärkung und Vervielfachung der erzeugten Schnappgeräusche führen. Das ist zwar bislang nur eine These, doch Labor-Experimente zeigten, dass die Wassertemperatur die Erzeugung von Pistolenkrebs-Geräuschen beeinflussen kann; die Daten legen nahe, dass es mit steigender Wassertemperatur auch eine größere akustische Aktivität gibt.

„Allgemeines Breitband-Knistern“: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Fazit: das „allgegenwärtige Breitbandknistern“ der Pistolenkrebse wird uns auch weiterhin begleiten, verstärkt durch den Rumpf unserer Yachten als idealer Resonanzkörper. Gut zu wissen, dass es sich dabei zum Glück nur um kleine Garnelen handelt, und das Boot – jedenfalls wohl in den allermeisten Fällen – trotz der Geräusche nicht in ernster Gefahr schweben dürfte, abzubrennen oder zu sinken (das Vertrauen auf dieses Wissen ist gut, die Kontrolle in der jeweiligen Situation bei verdächtigen Geräuschen ist jedoch besser, man weiß ja nie).

Insofern bleibt uns Yacht-Reisenden auch in Zukunft wohl nichts weiter übrig, als allen zunächst unerklärbaren Geräuschen an Bord unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, um eventuell drohende Gefahren mit Sicherheit ausschließen zu können.

Erst wenn das erledigt ist, sollte man die kleinen Knallkrebse als Verursacher des geheimnisvollen Lärms an Bord ernsthaft in Betracht ziehen – nach dem Ausschluß-System sozusagen.

Doch was, wenn schließlich auch diese lärmenden Mini-Garnelen als Quelle definitiv ausgeschlossen werden können? Nun, dann sollte man sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass man vielleicht doch den Klabautermann an Bord hat.

YouTube Video:The Pistolshrimp – Loudest noice in the World

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