Mekka für Geschichtsfans: die kroatische Stadt Senj in der Gespanschaft Lika-Senj ist nicht nur die älteste Stadt der oberen Adria, hier steht auch die Festung Nehaj, mittelalterliches Zentrum der Uskoken. Und: hier spielt der bekannte Jugendroman von Kurt Kläber, der „Die Rote Zora und ihre Bande“ unter dem Pseudonym Kurt Held 1941 erstmals veröffentlichte.
Es gibt wohl kaum ein Kind, das den Jugendroman Die rote Zora und ihre Bande von Kurt Kläber (1897–1959), der ihn unter dem Pseudonym Kurt Held 1941 erstmals veröffentlichte, nicht kennt.
Der in der Schweizer Emigration lebende Kurt Kläber unternahm um 1940 eine Jugoslawien-Reise, auf der er angeblich das Mädchen Zora und ihre „Bande“ kennengelernt hatte. Die Erlebnisse mit diesen Jugendlichen habe er in seinem ersten eigenen Jugendbuch, das für Kinder ab zehn Jahren empfohlen wird, verarbeitet, heißt es.
Erzählt wird die Geschichte von Waisenkindern aus dem kroatischen Küstenstädtchen Senj. Branko, der zwölfjährige Sohn eines fahrenden Geigers und einer Tabakarbeiterin, verliert seine Mutter und hat kein Zuhause mehr. Man verdächtigt ihn des Diebstahls und sperrt ihn ein.
Doch die dreizehnjährige Zora, ein Mädchen mit roten Haaren, befreit ihn. Branko wird in die „Bande der Uskoken“ aufgenommen, die sich unter der Führung Zoras zusammengeschlossen hat. Die Bürger der Stadt behandeln die mittellosen Kinder wie Ausgestoßene, und die Gymnasiasten, allesamt Söhne angesehener Bürger der Stadt, jagen sie; Diebstähle und Sachbeschädigung sind die Reaktionen der Kinderbande.
Um zu überleben, werden die Kinder zwar kriminell, doch innerhalb ihrer Gemeinschaft halten sie sich an feste Regeln. Ihr oberstes Gebot heißt Solidarität.
Das Buch Die Rote Zora und ihre Bande ist berühmt und in vielen Sprachen millionenmal gelesen worden
Kirsten Boie schreibt in ihrem Vorwort zu einer Ausgabe des Fischer Kinder- und Jugendbuch- Verlags: „Aber nicht allein wegen der Figur der Zora ist das Buch so berühmt und weltweit in vielen Sprachen tatsächlich millionenmal gelesen worden – fast ein bisschen so wie heute Harry Potter!“
„Ganz sicher“ gehe es „uns LeserInnen auch um die ganze Kinderbande der Uskoken“, die „zwar immerzu gegen die Regeln der Gesellschaft verstößt, die stiehlt, weil die von ihren Eltern aus den unterschiedlichsten Gründen allein gelassenen Kinder sonst keine Möglichkeit hätten zu überleben, und die alles teilt; in der alle solidarisch sind und einander helfen – selbst wenn sie aufeinander eifersüchtig sind, einander nicht mögen“.
„Zu so einer Gruppe von Freunden gegen den Rest der Welt würden wir alle vielleicht auch gerne gehören – aber natürlich ohne die Not, die die Uskoken zusammenschweißt“, so Kirsten Boie in ihrem Vorwort zum Buch weiter.
Das Jugendbuch nimmt Bezug zu den historisch verbürgten Uskoken, die in Senj ihren Hauptstützpunkt hatten
Neben der spannenden Schilderung der Abenteuer der Kinder- „Bande“ lernt der Leser aber noch mehr: er erfährt etwas über das Leben der Uskoken. Dieser militärisch organisierte Verband bestand hauptsächlich aus Flüchtlingen verschiedener Volksgruppen, die aus den osmanisch besetzten Gebieten stammten.
Die Uskoken (vom slawischen Wort uskočiti abgeleitet, was auf deutsch so viel bedeutet wie: „einspringen“) betätigten sich damals als Freischärler zwischen den Interessensphären der Habsburger, der Republik Venedig sowie dem Osmanischen Reich.
Die ersten Uskoken dürften Flüchtlinge aus der Herzegowina gewesen sein, die sich um 1530 in Dalmatien auf den Besitzungen des kroatischen Befehlshabers Petar Kružić im Bereich der ungarischen Festung Klis bei Split und Umgebung sammelten. Sie waren römisch-katholischen Glaubens.
Die Tracht der Uskoken orientierte sich an jener ihrer Ursprungsgebiete. Die Hosen, aus weißem, grobem Tuch waren bis zum Knie eng, oben etwas weiter. Die Hemden hatten weite, am Rande bestickte Ärmel. Das Wams hatte eine doppelte Reihe von Knöpfen. Dazu wurden leichte Riemenschuhe und als Kopfbedeckung ein rotes Käppchen mit einer Kranichfeder getragen.
Die Uskoken: Meisterhafte Seefahrer und Krieger
Bewaffnet waren die Senjer Uskoken bevorzugt mit Muskete, Streitaxt oder Streitkolben. Dazu kamen ein kurzes Krummschwert (Handschar), eine Pistole und ein Messer. Ihre durchwegs ausgezeichnete Bewaffnung war türkischer oder venezianischer Herkunft und nicht selten im Kampf erbeutet.
Als 1537 die Osmanen Klis eroberten, zogen die Uskoken nach Senj, das fortan ihr Hauptstützpunkt wurde. Es sollen mehr als tausend waffenfähige Leute gewesen sein, die – zumeist kriegsbedingt – aus der Heimat vertrieben worden waren. Sie hatten geschworen, für ihre verwüstete Heimat und ihre unterdrückten Völker Rache zu nehmen, und zwar gleicherweise an Türken wie an Venezianern, und zwar immer und überall.
Von Senj aus führten sie einen erbitterten Kampf sowohl gegen die Osmanen als auch gegen die Republik Venedig, besonders an der Küste von Zadar; auch Handelsschiffe der Republik Ragusa wurden von ihnen ausgeraubt.
Oberhalb von Senj thront die gut erhaltene Uskoken-Burg Nehajgrad, heute ein Museum
Oberhalb der Stadt Senj befindet sich auch heute noch die gut erhaltene Uskoken-Burg Nehajgrad. Sportskipper, die mit dem Boot aus Richtung Novi Vinodolski kommen und den gleichnamigen Kanal südwärts befahren, können die aus dem 16. Jahrhundert stammende Festung (die auch in der Verfilmung von Helds Kinderbuch zu sehen ist) bereits vom Wasser aus gut ausmachen.
Bei der Rekonstruktion der Festung im Jahre 1965 fand man die Überreste der Kirche des heiligen Juraj aus dem 11. bis 12. Jahrhundert. Sie war bei einem Türkenüberfall 1520 abgebrannt und die Reste beim Festungsbau abgerissen worden. Bei den Ausgrabungen fand man die sogenannte Tafel von Senj, eine Tafel in glagolitischer Schrift aus der Zeit um 1100, die zu den ältesten kroatischen Schriftdokumenten zählt.
1539 wurde Ivan Lenković Senjer Hauptmann. Er berichtete an den kaiserlichen Hof über den Zustand der Festungsanlagen der Region und trat für den Bau einer Festung auf dem Berg Nehaj ein. Nach Bereitstellung der Gelder durch Kaiser Ferdinand I. begann 1558 der Bau der Anlage. Alle außerhalb der Stadt Senj gelegenen Gebäude wurden auf Befehl Lenkovićs abgerissen und das Material beim Festungsbau verwendet.
Die Anlage hat einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 23,5 m und eine Höhe von 18 m. In drei Wehrgeschossen sind 100 Schießscharten für Handfeuerwaffen und elf Geschützscharten angeordnet. Im zweiten Wehrgeschoss und auf der Dachplattform gibt es an allen vier Ecken vorkragende Halbtürme (Échauguette), die die Bestreichung der Flanken ermöglichen. Im Inneren der Festung gibt es einen engen Innenhof.
In der Festung gibt es eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Uskoken. Es heißt, durch großes seefahrerisches Können, ausgerüstet mit wendigen, kleineren Booten, seien die Uskoken besonders in den Windphasen der Bora unschlagbar gewesen.
Die Uskoken hatten bis zu 30 schnelle Segelschiffe mit bis zu 50 Kämpfern.
Die starke Bora im Senjer Kanal sei von den venezianischen Kapitänen gefürchtet gewesen, da ihr weder große Galeeren noch Kriegsschiffe ausreichend Widerstand hätten leisten konnten. Die Uskoken hätten hingegen bis zu 30 schnelle Segelschiffe mit fünf bis zwölf Paar Segel und bis zu fünfzig Kämpfern Besatzung gehabt.
Segelnd und rudernd, meist während der Nacht und oft in seichten Gewässern, hätten die Uskoken von Pula, Piran und Monfalcone im Norden bis zur Neretva und der Bucht von Kotor im Süden operiert. Ihr meist unerwartetes Erscheinen mit den in den „Todesfarben“ Schwarz und Rot gefärbten Schiffen sei damals der Schrecken aller feindlichen Schiffe gewesen.
Die Festung Nehaj befindet sich heute in staatlichem Besitz und dient als Museum und beliebtes Ausflugsziel – für geschichtsinteressierte Erwachsene ebenso wie für Leser des Buches „Die Rote Zora und ihre Bande“, die den Ort der Handlung (und der späteren Verfilmung) einmal selbst in Augenschein nehmen wollen.
Gut zu wissen für Sportskipper, die im Hafen von Senj an einem der Gastplätze längsseits der Innenseite der Nordmole festmachen wollen: Senj gilt damals wie heute als Ort mit der größten Bora-Häufigkeit und Winden, die stärker als 12 Bft. ausfallen können (Tel. Hafenamt: 053-8811301).