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Die Plastikflut: SeaHelp bittet nicht sorglos mit Plastikmüll umzugehen

Plastikflut im Meer: Plastikmüll am Strand
Klare gesetzliche Vorgaben, Abfall­ Entsorgungsmanagement und Bewusstseinsbildung werden unerlässlich sein, um die Plastikflut in den Griff zu bekommen.

Strandwanderungen gehörten in meiner Kindheit zu den aufregenden Erlebnissen des Sommerurlaubes am Meer. Es galt, Schätze wie Muschelschalen, Schneckengehäuse, Seeigelstacheln, Reste von Krabbenpanzern und andere geheimnisvolle Reste von Meeresbewohnern zu finden. All das findet sich auch heute noch an den Meeresküsten, und es ist eine weitere Fraktion von Strandgut dazu gekommen. Müll jeder Größenklasse, bestehend aus unterschiedlichsten Materialien. Dominierend: Plastik.

Die etwa 200 verschiedenen Arten von Plastik basieren auf Erdöl und bestehen aus langen Ketten von Riesenmolekülen, den Polymeren. Entsprechend dem erwünschten Verwendungszweck kann das jeweilige Plastik massiv bis federleicht, starr bis flexibel und durch chemische Additive extrem vielfältig gestaltet sein. Da Plastik nicht rostet, ist es auch für den Einsatz im marinen Milieu bestens geeignet. Daheim begegnen uns im täglichen Leben Flaschen und Plastiksackerl aus Polyethylen unterschiedlicher Dichte (PET u. LDPE), Verpackungen aus Blasenfolie (PVC) und Styropor (PS u. EPS), Spielzeug und Möbel aus Polypropylen (PP). All das ist praktisch, hat viele Vorteile und einen großen Nachteil: Wenn das Material nicht ordnungsgemäß entsorgt in die Umwelt gelangt, richtet es dort wegen seiner Langlebigkeit enorme Schäden an. Vor allem im Meer.

Wie kommt das Plastik ins Meer?

Kunststoffgranulat steht am Beginn des Verarbeitungsprozesses. Wegen der Rieselfähigkeit des Schüttgutes können schon bei der Produktion und beim Transport viele der nur millimetergroßen Pellets verloren gehen. Sie landen dann bereits vor Beginn des Verarbeitungsprozesses in der Umwelt.

Der aufmerksame Strandwanderer findet an Sandstränden weiße oder bunte „Sandkörner“, die angeschwemmte Kunststoffpellets sind. Durch Wellenschlag wurden sie abgerundet und sehen Sandkörnern zum Verwechseln ähnlich.

Viel auffälliger ist der Makro-Plastikmüll, der an Stränden angeschwemmt wird oder im Meer treibt. Er wurde über Flüsse vom Festland ins Meer transportiert, wurde von küstennahen Mülldeponien verweht, mit Absicht nahe der Küste deponiert oder stammt von Schiffen und Anlagen der Offshore-Industrie, die ihren Müll kostengünstig, aber illegal auf See entsorgen.

 

Plastikmüll im Meer: Ufer einer griechischen Bucht wird zur Ents
Das Ufer einer griechischen Bucht wird zur Entsorgung von Wracks missbraucht. Kunststoff, Holz und Metall, gewürzt mit Resten von Lack, Diesel und Öl, zerfallen langsam zu einem Giftcocktail. | © ocean7

 

Plastikfalle Mittelmeer

Das europäische Mittelmeer ist von dicht besiedelten Küsten umgeben. Viele ungesicherte Mülldeponien befinden sich in Küstennähe, zusätzlich transportieren Flüsse Müll aus dem Hinterland in das Meer.

Die Umweltorganisation WWF hat in einer Studie 2018 die Plastik- Müllfracht erhoben, die Flüsse in das Mittelmeer eintragen. Die Spitzenreiter im unrühmlichen Ranking: Nil, Ebro, Rhone, Po und die türkischen Flüsse Ceyhan und Seyhan. In den Sommermonaten wird die Müllbelastung zusätzlich durch die Millionen Touristen verschärft, die im Mittelmeerraum Urlaub machen.

Plastikflaschen und anderer Makromüll sind an den Stränden nicht zu übersehen, mit Mikroplastik sieht es anders aus. Seine Existenz wird von uns meistens nicht direkt wahrgenommen, obwohl es reichlich vorhanden ist.

 

Plastikflut im Meer: Plastikmüll am Strand

 

Was ist Mikroplastik?

Üblicherweise werden darunter Plastikteilchen kleiner als 5 Millimeter verstanden. Ihre Herkunft ist vielfältig. In manchen Industriezweigen und Werften werden Mikroplastikteilchen zum „Sandstrahlen“ verwendet, dabei können riesige Mengen der Plastikteilchen ins Meer gelangen. Viele Lacke enthalten Kunststoffe, die im Lauf der Zeit als Lackstaub inklusive Mikroplastik in der Umwelt landen.

Durch den Reifenabrieb im Straßenverkehr werden ebenfalls kleinste Kunststoffpartikel freigesetzt. Allein in Norwegen gelangen jährlich über 2.000 Tonnen Mikroplastik auf diesem Weg ins Meer. Mikroplastik kann in Kosmetika und Zahncremen enthalten sein. Beim Waschen synthetischer Textilien werden feinste Kunsstofffasern freigesetzt, die das Flusensieb der Waschmaschine passieren, in das Abwasser gelangen und von den Filtern der Kläranlagen nicht zurückgehalten werden können.

Das Anthropozän

Dieser Begriff wird für ein neues erdgeschichtliches Zeitalter vorgeschlagen, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Faktoren für biologische, geologische und atmosphärische Prozesse auf der Erde wurde.

Wann und wie könnte der Beginn dieser Epoche festgelegt werden? Als mögliche Marker für den Beginn dieser Zeitrechnung wird das Vorhandensein von radioaktivem Staub nach Kernwaffentests, das Erscheinen von Beton oder von Plastik vorgeschlagen.

Wir alle sind Verursacher und Augenzeugen dieser Entwicklung, wobei die globale Omnipräsenz von Plastik besonders augenfällig ist. Von den Meeresküsten bis zur Hochsee, von Tiefseegräben bis zu Himalaya-Gipfeln, vom arktischen Eisschild bis zu Planktongesellschaften sind Mikro- und Nanopartikel von Plastik nachzuweisen.

 

Plastikmüll im Meer: Eurythenes plasticus
Eurythenes plasticus. Dieser Flohkrebs stammt aus über 6.000 Meter Tiefe im Marianengraben. Die Art ist neu, hatte Mikroplastik im Darm und wurde als Hinweis auf die globale Verschmutzung mit Mikroplastik auf den Artnamen plasticus getauft. | © ocean7

 

Vermeidung, Entsorgung, nachhaltiges Recycling

Klare gesetzliche Vorgaben, Abfall-Entsorgungsmanagement und Bewusstseinsbildung werden unerlässlich sein, um die Plastikflut in den Griff zu bekommen. Allen Menschen die Dringlichkeit des Problems bewusst zu machen, ist wohl die schwierigste Aufgabe.

Dazu zwei persönliche Beobachtungen auf einem Touristenresort der Malediven: Das „Müllschiff “, das einmal monatlich den Müll der Insel abholt, hat am Jetty festgemacht, der gesammelte Müll der Insel wird an Bord gebracht. Einer der Müllmänner an Bord des Schiffs packt seine Jause aus – und wirft die Verpackung über Bord ins Meer. Offenbar hat er nicht die geringste Ahnung, wozu er eigentlich hier ist und was seine Aufgabe wäre.

Die Insel läuft in einer wunderschönen langen Sandbank aus. Schon früh am Morgen wird von einem Arbeiter der Müll eingesammelt, der über Nacht an der Luvseite vom Wind angeschwemmt wurde. Der Arbeiter lädt den Müll, hauptsächlich Plastik, in eine Scheibtruhe, überquert mit ihr die schmale Sandbank – und kippt die ganze Ladung ins Meer, wo sie der ablandige Wind wieder von der Insel wegbläst. Mission erfüllt, Strand gereinigt.

 

Plastikmüll im Meer: Arbeiter sammeln Müll am Strand ein.
Die scheinbar heile Welt. Mindestens einmal täglich muss diese Sandbank inmitten des Indischen Ozeans von angeschwemmtem Plastikmüll gesäubert werden. Nur so entspricht das tropische Inselparadies den Erwartungen der Gäste. | © ocean7

 

„Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ Die Ballade vom Zauberlehrling wird oft auf die Erkenntnisse der Wissenschaft und ihre nicht immer absehbaren Folgen angewandt. Die Erfolgsgeschichte des Plastiks und die nun deutlich werdenden Langzeitfolgen sind dafür ein gutes Beispiel. Inzwischen wissen wir, dass sich der Kreis geschlossen hat: nun ist auch der Verursacher Mensch ein Leidtragender. Über marine Nahrungsketten reichert sich Mikroplastik an und landet im Endkonsumenten, in uns.

Es könnten sogar Babys bereits mit Mikroplastik in ihrem Körper geboren werden, da in der Placenta einiger Mütter Mikroplastik nachgewiesen wurde. Die gesundheitlichen Konsequenzen sind noch unbekannt. Mare incognitum, die Plastikflut ist voller offener Fragen.

Post Skriptum

Das Gehäuse und die Tastatur des Laptops, auf dem ich diese Zeilen tippe, sind aus Kunststoff. Wo wird das alles letztlich landen, wenn ich das Gerät einmal ordnungsgemäß entsorgen werde?

Text: Reinhard Kikinger | Fotos: ocean7, SeaHelp | Quelle: ocean7

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