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Das Alcatraz Jugoslawiens: Zu Besuch auf der ehemaligen Gefängnisinsel „Goli otok“

Kroatien / Kvarner Insel Goli Otok: Bucht Mala Draga
Bucht „Mala Draga“. Von hier aus sieht man das Schlachthaus, die Stallungen und die ehemalige Pumpstation.

Goli otok“. Das heißt übersetzt: Die nackte Insel. Und das stimmt auch, denn das nur 4,7 km² große Eiland mit der düsteren Vergangenheit ist weitestgehend kahl und öde. Über Jahrzehnte wurde die in der Kvarner Bucht zwischen der Insel Rab und dem Festland liegende Insel als Gefängnisinsel für männliche Häftlinge genutzt. Weibliche Inhaftierte wurden auf der Nachbarinsel Sveti Grgur untergebracht.

General Titos KZ

Bereits im Ersten Weltkriegs nutzte Österreich-Ungarn die Insel zur Inhaftierung russischer Kriegsgefangener, anschließend war die Insel verlassen und wurde zur Schafzucht genutzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der jugoslawische Staat sechs der inzwischen wieder unabhängigen Teilrepubliken umschloss und mit eiserner Hand von Josip Broz Tito regiert wurde, entstand hier erneut ein Straflager. Waren es erst Stalinisten und Faschisten, die auf die Gefängnisinsel verbannt wurden, kamen in den Folgejahren immer mehr Verurteilte unterschiedlichster politischer Richtungen auf die Insel. „Goli otok“ wurde zum gefürchteten Umerziehungslager, hinter vorgehaltener Hand als „Titos KZ“ oder auch sarkastisch als „Titos Hawaii“ bezeichnet.

Durch seine Insellage eignete sich das Straflager hervorragend als Hochsicherheitsgefängnis für politische Gefangene – was hier passierte, konnte keiner sehen. Eine Flucht von der Gefängnisinsel, die inzwischen als kroatisches Alcatraz in den Reiseführern steht, war aufgrund kompletter Überwachung, aber auch durch die starke Meeresströmung und die große Entfernung zum Festland unmöglich.

Fast 40 Jahre als Gefängnisinsel genutzt

Bis 1988, kurz vor dem Zusammenbruch der UdSSR und der Auflösung des jugoslawischen Staates, war das Hochsicherheitsgefängnis auf „Goli otok“ in Betrieb. Die grauenvollen Zustände auf der Insel wurden erst nach und nach bekannt. Heute ist die Insel unbewohnt, die Zeugnisse von vierzig Jahren Nutzung als Gefängnisinsel unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen stehen als verlassene, langsam verwitternde Relikte auf der Insel.

Ausflugsboote steuern inzwischen täglich die Insel an, wer nach einem ausgiebigen Rundgang, vorbei an Werkstätten, Baracken und Betriebshöfen Hunger verspürt, kann in dem beliebten Restaurant „Porat“ einkehren.

Ankern in der Bucht Tetina

Zentrale Ankerbucht für Yachten und Landungsplatz für die kommerziellen Fahrgastschiffe ist die Bucht Tetina mit dem Hafen Melna im Westen der Insel. Von hier aus sieht man schon das ehemalige Verwaltungsgebäude, das Sägewerk, die Schmiede und das längst geschlossene Kino der Gefängnisinsel. In den Genuss eines Films kamen allerdings nur die Wärter und Angestellten auf der Insel, gezeigt wurden überwiegend Propagandafilme.

16 verschiedene Einrichtungen auf der Insel können nacheinander erforscht werden, wer mag, erkundet „Goli otok“ auf eigene Faust, es gibt aber auch Führungen über die Insel. Wer die Insel lieber im Schnelldurchlauf erleben möchte, bucht im Hafen Melna ein Ticket für die kleine Touristenbahn „Goli Express“, mit der es in 20 Minuten einmal über die Insel geht.

In unmittelbarer Nähe des kleinen Hafens befindet sich die ehemalige Industriezone der Gefängnisinsel mit einer Steinmetz-Werkstatt, Schmiede und bescheidener Holzindustrie. Die zum Teil sehr hochwertigen, gut verarbeiteten Produkte wurden teilweise weltweit exportiert.

Weitere Ankermöglichkeiten sind in der großen Bucht „Vela Draga“, die auch „Bäckereibucht“ genannt wird und der der kleinen Bucht „Mala Draga“. Von hier aus sieht man das Schlachthaus, die Stallungen und die ehemalige Pumpstation.

Arbeiten im Steinbruch

Wer auf der Insel „Goli otok“ inhaftiert wurde, war in den Augen des jugoslawischen Staates ein Staatsfeind, Monarchist, Faschist, Bürgerlich oder auch Sozialdemokrat. Nicht selten wurden die Geständnisse der Inhaftierten unter Folter erpresst. Wer verurteilt wurde und auf die Insel „Goli otok“ kam, musste unter harten Bedingungen vor allem schwere körperliche Arbeit verrichten und erhielt zum Teil drakonische körperliche Strafen. Schätzungen zu Folge wurde auf der Insel zwischen 11.000 und 18.000 Männer gefangen gehalten. Wie viele von ihnen durch Folter und Misshandlungen starben, ist nicht bekannt.

Auf der kargen Insel wurden die Häftlinge vor allem für die Arbeit im Steinbruch eingesetzt, seit den 60er Jahren wurden hier zudem Terrazzofliesen und Möbel hergestellt, die zahlreiche Häuser der Nachbarinseln schmücken.

Aus den auf der Insel geschlagenen Steinblöcken wurde in Handarbeit das Verwaltungs- und Wohngebäude des Gefängnisführers und der Kommandanten errichtet, das auch heute noch in einem optisch guten Zustand ist. Die Häftlinge bezeichneten das Gebäude aufgrund seiner guten Bausubstanz spöttisch als Hotel – es stand im krassen Widerspruch zu den spartanischen Unterkünften der Gefangenen.

„Goli otok“ – nackte, trockene Insel

Die vermeintliche Idylle der Insel „Goli otok“, von der aus man einen fantastischen Blick auf die Nachbarinsel Rab und die Adria hat, ist trügerisch, wenn man an die grausamen Verbrechen gegen die Menschlichkeit denkt, die sich hier abgespielt haben.

Schon die rund sechsstündige Überfahrt auf die Insel, bei der die Häftlinge an Händen und Füßen gefesselt waren, war eine Tortur. Die Neuankömmlinge wurden von den Gefangen mit Prügel begrüßt, bevor ihnen eine körperlich schwere Arbeit aufgetragen wurde.

Die Insel ist auch heute noch weitestgehend kahl, die wenigen Bäume in Hafennähe wurden von den Gefangenen gepflanzt. Sommerliche Hitze und eiskalte Winde im Winter erschwerten die Arbeitsbedingungen. Um die Süßwasserversorgung auf der Insel sicherzustellen, bauten die Gefangenen große Wassersammelbecken, von denen das Wasser in offenen, flachen Steinkanälen zu den Gebäuden transportiert wurde.

 

Kroatien / Kvarner Insel Goli Otok: Kahle Insel

 

Auf eigenes Risiko

Vor über 30 Jahren verließen die letzten Häftlinge die Insel „Goli otok“, seitdem stehen die Gebäude leer und verfallen. Alles, was noch wertvoll oder nutzbar war, wurde gestohlen, die Böden sind zum Teil mit Holz- und Metallresten übersäht. Festes, sicheres Schuhwerk ist beim Besuch der Insel ein Muss, die Böden sind uneben und steinig. Einige Gebäude drohen einzustürzen, Warnschilder gibt es nicht – also nicht voller Neugier jedes verfallene Gebäude betreten.

 

Kroatien / Kvarner Insel Goli Otok: Ruinen Gefängnis

 

Kein Museum

Leider wurde versäumt, ausgewählte Anlagen auf der Insel „Goli otok“ zu erhalten oder eines der großen Gebäude in ein Museum mit angeschlossener Gedenkstätte umzuwandeln. Eine Gedenktafel und ein Gedenkkreuz erinnern an die Leiden zahlloser Menschen auf der Gefängnisinsel. Im danebenliegenden Kino wird ein 11-minütiger Dokumentationsfilm mit verschiedenen Untertiteln über die grausame Vergangenheit der Insel gezeigt. Zahlreiche Schriftsteller haben ihre Erlebnisse auf der Gefängnisinsel, wo der Alltag von Willkür, Terror, Gewalt und Denunziationen bestimmt war, literarisch festgehalten.

Wer ausgiebig die verschiedenen Stationen mit ihren morbiden Anlagen erkundet hat, kommt nicht umhin, sich anschließend intensiv mit der Geschichte Jugoslawiens und der kommunistischen, realsozialistischen Diktatur auseinander zu setzen. Aber so ist es bei einem Törn durch die Inselwelt Kroatiens bei jedem neuen Ziel: Überall prasseln Geschichte und jahrtausendealter Kultur auf den Besucher ein. Zusammen mit dem mediterranen Charme der Städte und Dörfer und der verführerisch glitzernden Adria machen Kultur und Geschichte den besonderen Reiz des Reiseziels aus.

 

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