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Heimat der „heiligen Boote“: Kroatien: Törntipp Betina auf der Insel Murter

Sportskipper, die mit ihrem Boot in den kroatischen Kornaten unterwegs sind, und einen Stopp auf der Insel Murter einlegen, sollten einen Besuch in Betina an der Nordostküste der dalmatinischen Insel einplanen. Hier waren einst 25 Werften ansässig, die das für Betina typische, „heilige“ Gajeta-Boot bauten. Eine Zeitreise durch die über 270 Jahre lange Schiffbau-Tradition des kleinen Ortes bietet das Muzej Betinske Drvene Brodogradnje.

Die Kornaten, die größte und dichteste Inselgruppe in der kroatischen Adria, ist bei Sportskippern aus dem deutschsprachigen Ausland sehr beliebt. Im Nordwesten der Inselgruppe, die sich entlang der kroatischen Küste zwischen den Städten Zadar im Norden und Šibenik im Süden erstreckt, befindet sich das Eiland Dugi Otok, südlich liegt Kornat, im Südosten Žirje. Östlich schließen sich Pašman, Vrgada und Murter an.

Für viele Bootscrews gehört die Insel Murter (italienisch Isola Morter), etwa 40 km südöstlich der Stadt Zadar in der Region Dalmatien gelegen, unbedingt zu einem Kornaten-Törn dazu. Verständlich, denn die 11 Kilometer lange, längliche Insel, die im Schnitt nur etwa 1,5 Kilomter breit ist, beherbergt einige gute Marinas und lockt mit vielen Sehenswürdigkeiten und guten gastronomischen Angeboten.

An der Südostküste befinden sich die Ortschaften Jezera und Tisno (ital. Stretto), letztere mit einer Brücke zum Festland zweigeteilt. Im Norden der Insel liegt der gleichnamige Hauptort Murter. Unmittelbar östlich angrenzend liegt der Ort Betina.

Betina ist einen Törn wert: es gibt viele Sehenswürdigkeiten und eine gute Marina

Keine Frage, der malerische Inselort Betina, an der Nordeinfahrt des Kanals von Murter gelegen, hat viel zu bieten, denn der im 16. Jahrhundert von aus Vrana gefüchteten Siedlern gegründete Inselort blickt auf eine reiche Geschichte zurück. Neben sakralen Bauwerken zeugen u.a. Ruinen von einer römischen Siedlung, die sich zur Zeiten Kaiser Neros und Vespasian hier befand.

 

Römische Ruinen auf der Insel Murter - Ort Betina
© Susy | Adobe Stock

 

Hoch in der Gunst der Bootstouristen stehen neben der Kirche Hl. Franziskus – Sv. Frane aus dem 15. Jahrhundert und der Kirche der Hl. Maria von Gradina (direkt an der Küste, nördlich von Betina und östlich von Murter), die sogar aus dem 6. Jahrhundert stammen soll, auch die steinernen Überreste der einst blühenden römischen Stadt Colentum sowie der antiken Villa rustica, der alte Verteidigungsturm sowie der urbane, historische Stadtkern von Betina befindet auf dem Hügel des Kaps Artic.

 

Kirche auf der Insel Murter bei Betina
© Frouwina Harmanna va | Adobe Stock

 

Nur wenige Besucher von Betina wissen jedoch um die Bedeutung, den der kleine Ort lange Zeit für den Schiffsbau in der Region hatte. Neben der Insel Korcula hat Betina die längste Tradition im kroatischen Schiffsbau. Zu Glanzzeiten zählte man im kleinen Inselort angeblich mehr als 25 Werften, in denen das für Betina so typische Gajeta-Boot gebaut wurde.

 

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Einst gab es in Betina 25 Bootswerften, ein Museum klärt über die 270 Jahre währende Schiffbau-Tradition auf

Eine Zeitreise durch die über 270 Jahre lange Schiffbau-Tradition des Ortes im Allgemeinen – und über die Gajetas im Speziellen – bietet das Muzej Betinske Drvene Brodogradnje in der Vladimira Nazora 7 befindet (geöffnet von Juni bis September täglich außer sonntags, Eintritt 3 Euro).

Dort erfährt man, dass die ersten Schiffsbauer, die Mitte des 18. Jahrhunderts von Korčula nach Betina gekommen waren, ihre Boots-Bauten den lokalen Bedürfnissen angepasst hatten. Doch warum waren dieses Boot und seine Verwandten, das etwas größere Leut und die etwas kleineren Guc und Kaić, in den Gewässern zwischen Zadar und Šibenik so erfolgreich?

 

Alte Bootswerft in Betina auf der Insel Murter
© Schönbacher Gerhard | Adobe Stock

 

Antwort gibt ein Beitrag auf latinskoidro.hr, einem Förderverein, der sich dem Erhalt dieses Schiffstyps widmet. Nirgendwo in der Adria oder im Mittelmeer würden sich so viele Inseln auf einer so kleinen Meeresfläche wie hier drängen, heißt es dort, und weiter: „wenn man zu den Bedürfnissen der Fischerei (…) noch die Notwendigkeit der Instandhaltung der Ländereien hinzuzählt, ist es ganz offensichtlich, dass die große Mehrheit der Haushalte ohne Boot nicht auskommen konnte“.

Um 1840 besaß fast jede Familie in Betina eine Gajeta, die zumeist nicht zum Fischen genutzt wurden

In vielen Wörterbüchern werde die Gajeta als Fischerboot bezeichnet. Das entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Ein Bericht von 1840, auf den sich latinskoidro.hr bezieht, zähle zu dieser Zeit 138 Gajetas, das entspreche einem Boot pro acht Einwohner. Wenn man die Größe der Familien zu dieser Zeit berücksichtige, so könne man daraus schließen, dass fast jede Familie eine Gajeta besessen hatte. Interessant: das Boot sei „jedoch nicht zum Fischen, sondern vielmehr zum Transport von Vieh, Menschen und Gütern zu den umliegenden Inseln“ genutzt worden.

Das änderte sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich die Einwohner insbesondere aus Murter stärker dem Meer zuwandten und damit begannen, ihre Boote schrittweise an neue Anforderungen anzupassen. Vom reinen Arbeiterboot, das die Gajeta ursprünglich war (und größtenteils noch immer ist), suchte man nun nach Lösungen für ein Boot, das alle Bedürfnisse eines Inselhaushalts erfüllen können sollte.

Neben dem Bau verschiedener neuer Bootstypen (besser geeignet zum Fischen: Batel, Kaić und Guc, zum Fischen und Transportieren: Leut, oder nur für Kleinfischerei und Transport zu nahegelegenen Zielen: Lađa und Gundula, wurde vor allem die ursprüngliche Gajeta selbst für den Mehrzweck-Gebrach angepasst.

 

Heiligen Boote (Gajeta) auf der Insel Murter in der Stadt Betina
© kasto | Adobe Stock

 

Die überlieferte, traditionelle Gajeta sollte ein Mehrzweckboot sein

Angestrebt wurde ein Boot, „das robust und stabil genug war, um Ladung zu transportieren, das nicht zu schwer für Segel und Ruder war und einen offenen Kiel hatte, um sowohl Esel als auch Ziegen, Arbeiter und Fischer, Ladung und Fett, Fisch und Steine unterbringen zu können“, bezeichnet latinskoidro.hr die Anforderungen an das Wunschboot der Einheimischen zu dieser Zeit.

Ein weiterer Aspekt beeinflusste die Definition des Bootes – seine Besatzung. Die durchschnittliche Größe von sieben Metern ermöglichte es, von einer Familienbesatzung (durchschnittlich zwei Mitglieder: das Familienoberhaupt und ein weiteres Mitglied) gesteuert zu werden. Auch Kinder wurden dabei mit einbezogen: auch sie mussten die Ruder abnehmen, die Schoten und Fallen (imbroji) bedienen und die Festmacher (brac) lösen können.

Die Schiffsbauer von Betina, die oft Arbeiter, Fischer und Seeleute zugleich waren, schufen dieses Boot, das „weder groß noch klein, weder schwer noch leicht, gleichzeitig offen und geschlossen war, und über hervorragende Navigationseigenschaften verfügte“ – die traditionelle Gajeta war geboren, ein Mehrzweckboot im besten Wortsinne.

 

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Die wenigen erhalten Gajetas aus dieser Zeit haben heute zumeist Holzaufbauten mit Kabinen und Vordächern und sind mit Motoren ausgestattet; die einst holzfarbenen, klarlackierten Oberflächen erstrahlen nun oft in Weiß. Die ursprünglichen Gajetas mit ihren stolz in die Höhe gereckten großen Lateinersegeln waren bis vor kurzem nur noch auf vergilbten, alten Fotos zu sehen.

Der Name des Bootes habe nur noch wie „eine pathetische Phrase“ geklungen – „das heilige Boot“, schreibt latinskoidro.hr. Kurz gesagt: die ursprüngliche, traditionelle Segel-Gajeta und damit auch das damit verbundene, spezielle Bootsbauhandwerk, drohte komplett in Vergessenheit zu geraten.

Ein Verein aus Betina hat sich dem Erhalt der Gajetas und dem damit verbundenen kulturellen und handwerklichen Erbe verschrieben

Dem will ein eigens für den Erhalt der Gajetas gegründeter Förderverein aus Betina entgegenwirken: das Boot sei „nach Gott, der Jungfrau Maria und den Schutzheiligen das Zweitwichtigste für die Menschen jener Zeit“ gewesen, sind sich die Mitglieder des Vereins sicher; „die Menschen verehrten das Boot, brachten Opfer für es und verließen sich auf die Gajeta“. Alle familiären und wirtschaftlichen Beziehungen, die Geschichte und selbst die Stadtplanung, aber auch Kunst und Kultur“ seien „um das Boot herum aufgebaut“ worden.

Der Grundgedanke des Vereins Latinsko Idro ist es nach eigenen Aussagen deshalb, dass das maritime Erbe und die Einzigartigkeit der Gajetas von den Nachkommen bewahrt und erhalten werden solle. Deshalb wurde als „symbolischer Akt des Vertrauens in die kommenden Generationen“ ein Boot speziell für sie gebaut – eine 6,66 m lange und 2,50 m breite traditionelle Gajeta im alten Stil, genannt Kurnatarica.

Die neue „Generationen-Kurnatarica“ wird wie früher von einem Lateinersegel angetrieben – und kann bei Bedarf auch gerudert werden

Angetrieben wird die Kurnatarica wie früher von einem Lateinersegel und Rudern, einziges Zugeständnis an die Sicherheit an Bord ist ein kleiner Motor. Gebaut wurde das Boot von Ljubomir Ante Fržop, einem bekannten Bootsbauer aus Betina. Die Idee fruchtete: inzwischen hat dieses Boot schon an vielen Regatten teilgenommen, Bildungsreisen für Kinder unternommen und an maritimen Festivals in Venedig, Brest, Morbihan und Sete teilgenommen.

Dabei stand – und steht – stets im Vordergrund, „Kinder zu erziehen, zukünftige Schiffbauer auszubilden und den jüngeren Generationen beizubringen, wie man ein Boot wartet, ausrüstet und bedient“.

Und: der Förderverein rief sogar eine eigene Segelregatta für die traditionellen Holz-Segelboote ins Leben, den Gajeta Cup. In den Segelanweisungen für die Ragatta heißt es: „Gajetas sind weder als Schnellboot konzipiert noch konstruiert. Dieses Boot wurde als Mehrzweckboot für die Verwaltung von Überseegütern gebaut, was im Wesentlichen den Transport von Gütern zum Heimathafen bedeutet“, es handele sich um ein „Schwerlastboot, das (ursprünglich) nicht für Wettkämpfe gedacht“ gewesen sei.

Aus diesem Grund werden alle Teilnehmer gebeten, die typbedingten Manövrier-Nachteile dieser Boote zu berücksichtigen, was so viel bedeutet wie: besonders vorsichtig und vorausschauend zu segeln, um Kollisionen zu vermeiden. Die Unversehrtheit der Boote steht bei dieser Regatta im Vordergrund, was jedoch nicht bedeutet, dass nicht auch ambitioniert gesegelt wird.

Eine Besonderheit bei den seit einigen Jahren regelmäßig laufenden Gajeta-Regatten ist, dass „beim Drehen in Richtung Wind (das heisst, bei einer Wende; Anm. d. Red.) die Verwendung der Ruder (bzw. das Rudern) zulässig“ ist, und zwar so lange, „bis das Boot (wieder) an Geschwindigkeit gewinnt“, danach müssen die Ruder sofort wieder entfernt werden, sonst droht eine Disqualifikation.

Weitere Informationen:

latinskoidro.hr, Kontakt: Jakov Lovric, Tel. 385 98 336 851, latinskoidro1998@gmail.com. Zuschauer willkommen: die Regatta findet jeweils am ersten Sonntag nach der Latinskoidro-Regatta am Nachmittag statt, der nächste Termin ist der 29. September 2024. Gesegelt wird vor Murter in der Bucht von Hramina.

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