Wird beim Thema Coronavirus und Reisewarnungen Österreich mit zweierlei Maß gemessen? Österreich gibt beispielsweise eine partielle Reisewarnung für die portugiesischen Städte Lissabon und Norte (Sicherheitsstufe 5), aber für Kroatien (Sicherheitsstufe 6), gilt eine Reisewarnung für das komplette Land, obwohl die nördlichen Regionen bisher deutlich niedrigere 7-Tage-Inzidenzen aufweisen, als für eine Reisewarnung erforderlich wären. Nur zur Erinnerung: In Istrien liegt die 7-Tage-Inzidenz deutlich unter 10, Österreichs Hauptstadt Wien deutlich über 100.
„Kriegsähnliche Zustände“ in Kroatien?
Während Österreicher problemlos nach Wien reisen dürfen und können, existiert für die nördlichen kroatischen Regionen vorbezeichnete Reisewarnung der Stufe 6, das heißt wörtlich (Homepage Außenministerium): „Österreicherinnen und Österreichern, die sich derzeit in diesem Land aufhalten, werden dringend ersucht, sich unverzüglich mit der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde bzw. der nächstgelegenen Vertretung eines EU-Mitgliedstaates in Verbindung zu setzen. Den in diesem Land lebenden Österreicherinnen und Österreicher wird dringend empfohlen, das Land zu verlassen“ Ursachen für die Reisewarnung der Stufe 6: kriegsähnliche Zustände, verhängtes Kriegsrecht, Krieg, Bürgerkrieg oder eben Epidemien.
Keine Coronavirus-Gefahr – weil niemand vor Ort
Die SeaHelp-Redaktion hat sich selbst in Istrien umgeschaut, um sich ein eigenes Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Was unsere Leser sicher wissen, aber offensichtlich bei Österreichs Regierung noch nicht angekommen ist: Um ein Virus wie das Coronavirus zu übertragen, bedarf es einer infizierten Person und einer weiteren Person, auf die es übertragen werden kann. Nur an beiden scheint es in Istrien an den Stränden und in den Marinas zu mangeln, wie unsere Fotos aus Oktober beweisen. Mittags um 13.00 h wirklich menschenleere Strände, bis auf den einsamen Hafenkapitän ist niemand weit und breit im Stadthafen – das soll nach Meinung der österreichischen Regierung ähnlich gefährlich sein wie Krieg oder Bürgerkrieg?
Selbst in den ACI-Marinas wie in der Marina Pomer oder Pula sitzen Wassersportler entsprechend des Corona-Knigges weit auseinander, wie wir bildlich festgehalten haben. Beim Betrachten dieser Bilder sollte man mal an den Wiener Naschmarkt denken…
Chartergäste: „Keine Menschenseele gesehen“
Vor diesem Hintergrund sprachen wir mit den letzten Skippern, die derzeit noch auf der Adria unterwegs waren: „Wir haben einen Törn gemacht fast bis runter zu den Kornaten, es war herrlich, aber wir haben keine Menschenseele, außer den Wirten in den leeren Restaurants gesehen. Erst, als wir in Pula kurz festmachten, sahen wir abends zwei Personen, die die Hauptstraße am Hafen entlang gingen. Da wussten wir, dass es abgesehen vom Marinapersonal doch noch Einheimische gibt.“ Und auf Nachfrage: „Ansteckungsgefahr? Keine Chance, da war ja niemand, der einen hätte anstecken können außer den Mitgliedern der Crew.“
Anfrage an Außen- und Gesundheitsministerium zur Reisewarnung für Kroatien
Deshalb wollten wir es genauer wissen und richteten eine Anfrage mit folgendem Wortlaut an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit. Pflege und Konsumentenschutz das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.
Österreichweit lag der Sieben-Tages-Wert am Mittwoch bei 73,1, in Wien bei 147,4 Fällen pro 100.000 Einwohnern. In Kroatien liegt die Sieben-Tage-Inzidenz seit längerer Zeit unter dem kritischen Wert 50, aktuell bei 45,4. Trotzdem wird die Reisewarnung für Kroatien nicht zurückgenommen bzw. durch eine partielle Reisewarnung (analog Deutschland) für Regionen mit einem höheren Inzidenzwert als 50 ersetzt.
Wie Medienberichten entnommen werden kann, verhandelt Österreich ungeachtet hoher Inzidenzwerte in den Regionen Vorarlberg und Tirol mit Deutschland, um eine Rücknahme der Reisewarnung zu erreichen. Im Klartext heißt das doch: Wenn es um die deutschen Gäste in den Wintersportgebieten geht, scheinen der österreichischen Regierung hohe Coronavirus-Neuinfektionen egal zu sein, man versucht, die Zahlen offensichtlich auf dem Verhandlungsweg „kleinzureden“.
Dabei wird offensichtlich total vergessen, dass eine gut fünfstellige Anzahl von österreichischen Bürgern (und Wählern) über Boote und Yachten, aber auch Immobilienbesitz in Kroatien verfügt, der für den Winter vorbereitet werden muss. Aufgrund der bestehenden, zahlenmäßig wohl kaum begründbaren Reisewarnung ist ihnen das aber nicht möglich. Hingewiesen sei vor diesem Hintergrund zusätzlich auch die sehr kurzfristige Reisewarnung mit anschließender Quarantäne, die dazu führte, dass viele österreichische Boots- und Yachteigner Kroatien fluchtartig verlassen mussten, ohne ihr Eigentum für den Winter entsprechend zu sichern. Allerdings – das soll hier nicht unerwähnt bleiben – um dann an der Grenze zu Österreich bis zu 12 Stunden und länger im Stau zu stehen.
Vor diesem Hintergrund bitte ich um Beantwortung folgender Fragen:
- Wann ist konkret mit einer Rücknahme der Reisewarnung bzw. einer Änderung der Reisewarnung für Kroatien vor dem oben geschilderten Hintergrund zu rechnen?
- Sollte eine zeitnahe Rücknahme/Änderung der Reisewarnung für Kroatien nicht beabsichtigt sein, bitte ich um Mitteilung der Hinderungsgründe.
Aus meinen früheren Erfahrungen mit entsprechenden Presseanfragen bitte ich in diesem Fall um eine konkrete Beantwortung der konkret gestellten Fragen keine allgemeinen Floskeln oder Allgemeinplätze.
Ernüchternde Antwort aus Gesundheitsministerium
Die Beantwortung der Anfrage fiel seitens des Gesundheitsministeriums kurz und knapp aus – konkret ging man seitens der Pressesprecherin Nina Bauregger auf inhaltliche Aspekte der Anfrage gar nicht erst ein, sondern antwortete offensichtlich pauschal:
Die Entwicklung der epidemiologischen Lage wird ständig evaluiert und die Maßnahmen entsprechend angepasst. Im Moment ist keine kurzfristige Anpassung der aktuellen Maßnahmen geplant.
Außenministerium bemüht sich
Deutlich bemühter zeigte sich Gabriele Juen, Pressesprecherin des Außenministeriums. Sie erklärte, es gäbe bei einzelnen Ländern nicht wie in Deutschland einen sogenannten „Ein-Faktor-Automatismus“, wonach eine Reisewarnung erfolge, wenn die 7-Tage-Inzidenz über 50 Neuinfektionen mit dem Coronavirus pro 100.000 Einwohner liege. Faktisch ist diese Auffassung des Außenministeriums falsch (Anm. d. Red.), siehe dazu die Kriterien des Robert-Koch-Instituts. Dort heißt es: „Maßgeblich für die Bewertung sind insbesondere die Infektionszahlen und die Art des Ausbruchs (lokal begrenzt oder flächendeckend), Testkapazitäten sowie durchgeführte Tests pro Einwohner sowie in den Staaten ergriffene Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens (Hygienebestimmungen, Kontaktnachverfolgung etc.).“
Reisewarnung doch wirtschaftlich motiviert?
Auf den Hinweis, man könne doch die Reisewarnungen für die nördlichen Regionen Kroatiens mit deutlich geringeren 7-Tage-Inzidenzen lockern, hieß es, Österreich betrachte die Situation in einem 14-tägigen Rhythmus. Den Einwand, auch dann hätte nach diesen Kriterien analog zu anderen Ländern wie beispielsweise Portugal die generelle Reisewarnung in eine partielle Reisewarnung für bestimmte Regionen Kroatiens umwandeln müssen, entgegnete sie: „Wir kennen die Situation und die Anliegen unserer Bürger, aber wir berücksichtigen auch die Einreise- und Mobilitätskriterien, außerdem gäbe es anhand der aktuellen Erkenntnisse laufende Adaptierungen und Evaluierungen.“
Nur wenig Argumente für Reisewarnung Kroatien
Übersetzt aus dem Politiker-Sprech könnte das auch heißen: Da wohl nur eine überschaubare Anzahl österreichischer Bürger nach Portugal reist, aber deutlich mehr nach Kroatien an die Adria, sollte man beim Thema Kroatien anders entscheiden. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass diese Aussage im Konjunktiv erfolgte, der geneigte Leser mag sich selbst seinen Reim darauf machen.
SeaHelp: Über reale Situation vor Ort informieren
Analog zu den Bildern dieses Beitrags bitten wir unsere Leser, die sich noch vor Ort aufhalten, aufgehalten haben oder als Deutsche von den österreichischen Maßnahmen nicht betroffen sind, auf den Facebook und Instagram-Kanälen Bilder vom „wirklich wahren Leben“ in Kroatien zu posten. Vielleicht schaut ja mal jemand vom österreichischen Außen- oder Gesundheitsministerium da vorbei…