Vor allem in diesem Sommer erfordern Gewitter zahlreiche Bergungseinsätze von SEA HELP-Mitarbeitern. Doch mit etwas Know-how lassen sich gefährliche Situationen im Gewitter vermeiden.
Tipp 1: Vor dem Törn auf der richtigen Website Gewitterprognose einholen.
Die richtige Gewittervorbereitung beginnt noch vor dem Törn zu Hause. Holen Sie vor dem Aufbruch auf der Startseite des kroatischen Seewetterberichts meteo.hr in englischer Sprache unter 3-day-meteograms die 3-Tages-Prognose ein. Sie zeigt auf einen Blick zuverlässig für ihren Ort, ob und wann Sie mit Gewitter oder Starkwind rechnen müssen. Nutzen Sie Windy.com und vergleichbare Seiten in erster Linie als Windvorhersageseiten. Für Gewittervorhersagen sind die nationalen Wetterdienste wie meteo.hr in Kroatien oder meteoam.it in Italien vorzuziehen.
Tipp 2: Was die Wassertemperatur über kommende Gewitter verrät.
Prüfen Sie vor dem Törn in Windy.com im Untermenü Meerestemperatur die aktuelle Wassertemperatur. Jeder freut sich über warmes Wasser, doch für den Skipper ist dies ein Warnzeichen. Erhöhte Wassertemperaturen können Unwetter um ein Vielfaches verstärken. An der kroatischen Küste sind im Sommer Wassertemperaturen um die 24-25 Grad normal. Steigt die Wassertemperatur in Küstennähe auf 29 Grad oder darüber, ist zu viel Energie im Wasser gespeichert, die sich im Fall eines Gewitters, aber auch bei einem Starkwindereignis als Verstärker entladen wird. Hohe Wassertemperaturen bedeuten keinesfalls, dass Gewitter drohen, aber sie bedeuten eine Intensivierung von Gewittern zu heftigen Unwettern.
Fazit: Bei Wassertemperaturen ab 28 Grad sollte man einen Törn defensiv planen und frühzeitig einen Liegeplatz im Hafen reservieren. Ist für den Nachmittag Gewitter vorhergesagt, früh ablegen, um bereits mittags im geplanten Tagesziel anzulegen.
Tipp 3: Vor allem Schönwetterperioden machen nachlässig.
Alle Seenotrettungsdienste wissen das: Lang anhaltenden Schönwetterperioden machen Skipper nachlässig. Gewitter können plötzlich auftreten, und nur für den Geübten sind Gewitterlagen mit bloßem Auge an bestimmten Wolkenformen erkennbar.
Nutzen Sie weiterhin die 3-Tages-Prognosen von meteo.hr. So ausgezeichnet Windy oder vergleichbare Seiten bei Windvorhersagen sind: Die Gewittervorhersage ist in Windy in einem speziellen Untermenü „versteckt“. Man übersieht Gewitter deshalb leicht – genauso wie im traditionellen kroatischen Seewetterbericht meteo.hr. Hier findet man sie unter dem Reiter Forecasts, dann Marine Forecast for Small Crafts. Der Tageswetterbericht betrachtet nur die kommenden 12 Stunden, aber nicht die kommenden 3 Tage.
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Live-Gewitteraktivität auf Windy – Blitzdichte und Zugrichtung in Echtzeit. (© Windyty, SE)
Tipp 4: Wieso Spezialseiten im Gewitter unverzichtbar sind.
Am wichtigsten ist im Gewitter die Kenntnis der Zugrichtung. Sogenannte „Regen- und Gewitterradare“ errechnen modellhaft die Zugrichtung anhand von Blitzen. Seiten wie blitzortung.org oder lightningmaps.org registrieren hingegen nicht die errechneten, sondern die echten Blitze. Gewitter ziehen immer in Richtung der vordersten Blitze einer Gewitterfront, die auf diesen Seiten erkennbar sind. Ebenfalls sichtbar ist dort die Geschwindigkeit, mit der Gewitter ziehen. Sie kann zwischen 10 und 100 km/h betragen.
Häufig sind auf diesen Spezialseiten Gewitter schon am Tag zuvor weit im Westen erkennbar.
Tipp 5: Was sind die besten Gewittertaktiken?
Gewittertaktik Nr. 1: Im Hafen bleiben.
Der kroatische Seewetterbericht weist bereits zuverlässig ab 6 Uhr morgens auf die tägliche Gewitterlage hin – freilich ohne genauere Ortsangaben oder Hinweise auf ihre Intensität. Jeder Skipper sollte sich bei derartigen Warnhinweisen fragen:
- Weiß ich, was ich im Gewitter zu tun habe?
- Ist die Crew heute fit? Oder wurde es gestern Abend spät?
- Bin ich fit? Und kann ich das meistern?
Im Zweifel lieber im Hafen bleiben und eine unklare Wetterlage, die nicht beherrschbar scheint, für einen Landausflug nutzen.
Gewittertaktik Nr. 2: In den Hafen gehen.
Wer einen Hafenplatz bei Gewitterneigung sucht, für den ist eine frühzeitige Anmeldung zwei Tage vorher erforderlich. Sobald schwarze Wolken am Himmel aufziehen und für jeden Skipper erkennbar sind, sind die Häfen meist ausgebucht.
Gewittertaktik Nr. 3: Bojen
Kroatien besitzt viele Bojenfelder. Doch nicht jede Boje bietet sicheren Halt. Bojen mit starkem Bewuchs auf der Unterseite, halb „ertrunkene“ Bojen sowie eng ausliegende sind Anzeichen für Wartungsmängel. Sie sind bei Gewitter ungeeignet.
Am sichersten und besten gewartet sind Bojen der Hafenmeistereien. Am zweitsichersten sind Bojen von Marinas oder privaten Bojenbetreibern. Hafenhandbücher wie der „ Buchtenfinder von Thomas Käsbohrer“ oder „888 Häfen und Buchten von Karl-Heinz Beständig“ informieren über schwarze Schafe unter den Bojenbetreibern.
Generell vorsichtig sein sollte man bei Gewitter bei Restaurant-Bojen, vor allem, wenn diese kleine Auftriebskörper besitzen sowie bei Bojen von Campingplätzen. Beide sind meist für kleinere Motorboote eingerichtet und besitzen ein zu geringes Grundgewicht. Für eine Yacht ab 8 Metern sind sie ungeeignet.
Gewittertaktik 4: Ankern.
Ein Gewitter vor Anker abwettern sollte man nur mit ausreichend Erfahrung. Entscheidend ist, ob man sich des zuverlässigen Halts am Grund wirklich zu 100 Prozent sicher sein kann. Nicht der Ankertyp ist entscheidend, sondern die richtige Beurteilung der Haltekraft des Untergrunds und ob ein Anker wirklich korrekt gesetzt ist.
Besten Halt bieten üblicherweise tonige Schlammgründe in Brackwasser-Landschaften wie Lagunen oder Flussmündungen sowie meterdicke Sandböden. Da es in Kroatien aber keine kilometerlangen Sandstrände gibt wie in Südspanien oder entlang der italienischen Adriaküste, ist die Beurteilung von Untergründen mit gutem Halt schwierig. Völlig untauglich sind Seegras- oder Felsgründe, wie man sie in den meisten Buchten Kroatiens vorfindet. Wichtig: Im Gewitter Landleinen unbedingt loswerfen.
Gewittertaktik 5: Durchs Gewitter fahren.
Auch diese Taktik setzt Erfahrung voraus. Entscheidend ist die Ermittlung der Zugrichtung des Gewitters. Immer wieder berichten Skipper in Foren, ein Gewitter habe sie „stundenlang verfolgt“. Dies ist nicht richtig. Die Skipper hatten nur die Zugrichtung nicht vorher ermittelt und fuhren ahnungslos stundenlang unter einem Gewitter mit.
Falls man einem Gewitter nicht mehr ausweichen kann:
- Maschine starten. Vom Land und von der Küste wegfahren und möglichst viel Seeraum gewinnen.
- Niemals unter Segeln ins Gewitter.
- Segel und vor allem die Rollgenau ganz eng einrollen, damit sich keine Falten bilden. Die ersten Böen können ein schlecht eingerolltes Vorsegel im Handumdrehen zerfetzen
- Cockpitpolster, lose Gegenstände, lockere Biminis festlaschen.
- Dinghi und Außenborder an Bord holen. Bei 40 Knoten Wind fliegt ein hinter dem Boot hergezogenes Dinghi samt Außenborder durch die Luft und landet häufig umgedreht mit dem Außenborder nach unten im Wasser, sobald die Böe nachlässt.
- Für die Crew ist der Aufenthalt unter Deck am sichersten. Keine Metallteile berühren.
- Hat man die Zugrichtung ermittelt: Sobald die ersten Böen einsetzen, mit Maschinenfahrt durchs Gewitter. Nur unter Maschine hat man Kontrolle über das Schiff. Oft ist der Zauber bereits nach 15 Minuten durchstanden.
- Abstand zu anderen Schiffen halten: Die größte Gefahr eines Unwetters geht auf See von Sichtverlust bei Starkregen aus. Gehen Sie gut Ausguck.
Tipp 6:
Ob Gewitter drohen, können Meteorologen heute sehr gut vorhersagen. Wie heftig ein Gewitter ausfällt oder ob es Wasserhosen geben wird, ist hingegen schlechter prognostizierbar. Ob die Böen mit 7 oder 9 bft. oder noch stärker daherkommen, wie groß die Sichtweite im Starkregen sein wird oder ob Hagel auftritt, kann von lokalen Gegebenheiten abhängen – es ist die Kleinräumigkeit, die in der Vorhersage immer noch Probleme macht.
Tipp 7: Safety first
Gehen Sie bei Gewitter Gefahr auf Nummer Sicher. Vor allem mit Kindern an Bord sollte man mindestens zwei Tage vorher in einem Hafen reservieren.
Sicher ist nach einem Gewitter in Kroatien auch: Minuten später wird die Welt wieder schön sein und die Sonne wieder scheinen – als wäre nichts gewesen.
Thomas Käsbohrer ist Autor des Buches „Gewittersegeln“ und gibt regelmäßig Seminare zum Thema. Vor kurzem erschien im millemari.-Verlag (millemari.de) das Know-how-Hörbuch „Gewitter im Mittelmeer“.
Tipp der SeaHelp-Redaktion:
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SeaHelp-App:
Sollte trotz aller Vorsicht doch einmal etwas passieren, lässt sich mit der SeaHelp-App schnell und unkompliziert Hilfe anfordern – außerdem ist dort auch die 3-Tage-Prognose von meteo.hr direkt unter dem Menüpunkt „Wetter“ abrufbar. Die SeaHelp-App gehört auf jedes Skipper-Handy.
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