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Unwetter in Kroatien: Die fünf größten Irrtümer über Gewitter auf See

Gewitter auf See: Unwetter Istrien / Kroatien
Eine Yacht segelt an einem Tag Ende Juli vor der istrischen Küste in schweres Wetter. Sie hat ihr Groß geborgen, nur noch die Rollgenua ist draußen, bereit, beim ersten Anzeichen von Böen gerefft zu werden. Die Crew ist richtig vorbereitet. Lokale Gewitter sind meist nach 20 Minuten vorüber. Diese Gewitterfront brachte der Yacht kurzzeitige Böen aus Nord bis 9bft., Hagel, Sichtverlust durch Starkregen für 20 Minuten und den Ausfall des Autopiloten.© millemari

Gewitter auf See bescheren immer wieder bange Momente und Fragen. Um sich richtig zu verhalten und seiner Crew die richtigen Antworten geben zu können, hier die größten Fehleinschätzungen.

„Gewitter? Ist in Kroatien selten. Hab ich dort nie erlebt.“

Kroatien und die Nordadria-Küste sind vor allem in den Sommermonaten gewitterreiche Küsten. Statistisch gesehen blitzt und donnert es im Norden der Adria häufiger als in unseren Breiten. Warum? Die Adria ist ein flaches, im Norden und Osten von hohen Gebirgen begrenztes Meer. Flache Meere erwärmen sich in den Hochsommermonaten schneller, was die Verdunstung beschleunigt. Wenn plötzliche Kaltlufteinbrüche aus den Alpen oder von den Küstengebirgen auf feuchtheiße Luftmassen über der Adria treffen, kracht es.
Wer in der Vor- oder späten Nachsaison unterwegs ist, trifft tatsächlich seltener auf Gewitter. Ausgeschlossen sind sie aber auch da nicht.

 

LIVE-Radarbild Adria/Kroatien© DHMZ | Croatian Meteorological and Hydrological Service

 

„Es kam aus dem Nichts. Es war nicht vorhersehbar.“

SeaHelp warnt die Nutzer seiner App mittels Push-Benachrichtigungen vor Gewittern, die extreme Gefahr für Nautiker darstellen oder die nicht in den Prognosen angekündigt wurden und überraschend auftreten.

Daneben sind die meisten Standard-Wetterseiten für den Hausgebrauch in der Lage, für jeden Ort Gewitter im Voraus anzukündigen. Die bekannte kroatische Wetterseite meteo.hr tut das traditionell mit einfachen dürren Worten, seit einigen Jahren aber auch in Übersichtsgrafiken mit lokalen Blitzsymbolen.

Manche unter anderem auch für Skipper gemachte Wetterseiten tun sich allerdings schwerer mit Gewitter. windguru.cz oder windy.com zeigen Gewitter in ihren Grafiken nicht automatisch an. Auf windy.com sind sie im Untermenü aufrufbar, auf windguru.cz kann man sie sich nur erschließen, wenn plötzlicher Starkwind im Verbund mit Starkregen, abrupten Winddrehern und Temperaturrückgang gleichzeitig angezeigt werden.

Anders als bei der Bora können eigene Beobachtungen helfen, Gewitterlagen früh zu erkennen. Um entstehen zu können, benötigen Gewitter Vorbedingungen. Eine davon ist starke Thermik – Luftmassen, die sich bereits Tage zuvor über der Kimm nicht nur von links nach rechts bewegen, sondern nun nach oben streben. Ein mit bloßem Auge erkennbarer Anzeiger hierfür sind Wolkenformen. Üblicherweise sind vereinzelte Wolken, die man bei Schönwetter am Horizont beobachten kann, stets breiter als hoch. Solche Wolken sind harmlos.

Zeigen sich am Vormittag aber unverdächtig aussehende weiße Wolken am blauen Himmel, die mehr Höhe als Breite besitzen, können dies Vorboten eines nachmittäglichen Gewitters sein. Die einfache Faustregel heißt: „Sind die Wolken höher als breit, schau rundrum. Und sei bereit.“ Ein einfacher Blick von Skipper und Crew beim späten Frühstück reicht dazu. Diese „höheren als breiten“ Wolken sind noch keine Gewitterwolken, doch ein eindeutiger Hinweis auf die Möglichkeit von Gewittern.

 

Gewitter auf See: 10,30 Uhr über Korfu
Ein Julivormittag gegen 10.30 Uhr über Korfu am Südende der Adria. Man erkennt klar die für Gewitterlagen typische Wolkenentwicklung nach oben statt in die Breite. Die charakteristische Wolkenbildung „höher als breit“ weist bereits am Vormittag auf mögliche Gewitter am Nachmittag hin.© Thomas Käsbohrer

 

Gewitter auf See: 12 Uhr über Korfu
Derselbe Julivormittag gegen 12 Uhr über Korfu am Südende der Adria. Über dem östlichen Festland bilden sich „höhe als breite“ Wolkenpakete, an denen man an der Oberseite unzählige blumenkohlartige Ausbildungen erkennt, die nach oben streben.
Man erkennt klar die für Gewitterlagen typische Wolkenentwicklung nach oben statt in die Breite. Die charakteristische Wolkenbildung „höher als breit“ weist bereits am Vormittag auf mögliche Gewitter am Nachmittag hin. Links der Masten bildet sich ein erster Gewitterturm.© Thomas Käsbohrer

 

Bilden sich ab frühem Nachmittag dann tatsächlich die bekannten, beeindruckend hohen Wolkentürme aus, gewittert es dort bereits. Ab jetzt heißt es für den Skipper, diese Wolkenformen aufmerksam auf Annäherung zu beobachten. Und sich vor allem Gewissheit über ihre Zugrichtung zu verschaffen.

 

Gewitter auf See: 15.00 Uhr über Korfu
Derselbe Julitag gegen 15 Uhr über Korfu am Südende der Adria. Die „höher als breiten“ Wolkenpakete sind nun zu ausgewachsenen Gewitterzellen geworden, die oben auswehen. Der typische Pilz oben zeigt an, dass die Wolkenbindung in die Höhe nun zum Stillstand gekommen ist und einige Wolken dabei sind, ihre Gewittergefahr zu verlieren. Immer noch ist die Zurichtung wichtig, denn weitere „höher als breite“ Wolken bilden sich im Vordergrund.© Thomas Käsbohrer

 

Gewitter auf See: Wolkenturn
Eine „höher als breite“ Wolkenform, vor allem im oberen Teil erkennbar. Eine Crew, die eine solche Wolke für eine Minute fest im Auge behält, kann nun die quellende Thermik dieser Wolke live beobachten, wie sie nach oben wächst. Unten links bildet sich die typische „Gewitterschwärze“ aus, bei der Gewitterwolken nun so hoch und dicht sind, dass sie an der Unterseite ihren eigenen Schatten erzeugen.
Gewitter ist jetzt wahrscheinlich. Ab jetzt sollte man die Wolke weiter beobachten, um ihre Zugrichtung zu ermitteln. Sie entscheidet, ob ein Schiff ins Gewitter gerät.© Thomas Käsbohrer

 

„Gewitter? Kann ich einfach umsegeln!“

Gewitter sind sehr großräumige Phänomene, gigantische Kraftwerke, die sich über alle Etagen der Erdatmosphäre erstrecken können. Sie können lokal sein, aber ebensogut als Gewitterfronten die Länge Österreichs oder Norddeutschlands bedecken. Und sie ziehen schnell. Umsegeln? Unmöglich.

Es ist aber möglich, ein Gewitter an sich vorbeiziehen lassen. Dazu muss man dessen Zugrichtung ermitteln. Das geht in Landnähe leicht – anhand einer Peilmarke wie eines Kirchturms oder eines Berggipfels vor dem Gewitter. Bei Gewittern auf See ist das schwieriger. Hier helfen Webseiten. Beispielsweise zeichnet wetteronline.de in Sekundenschnelle die neuesten Blitze auf und markiert sie in seinem Regenradar als gelbe Punkte. Blitze treten gehäuft im vorderen Teil einer Gewitterfront auf, neue Blitze im Regenradar weisen in die Zugrichtung. Am besten macht das die Seite blitzortung.org, die „alte“ Blitze, die länger zurückliegen, als rote Punkte verzeichnet. Neueste Blitze sind weiß. Ein Gewitter bewegt sich also von rot nach weiß.

Kennt man die Zugrichtung, kann man vorhersagen, ob sich ein Gewitter auf den Standort einer Yacht zu bewegt oder vorbeizieht. Es ist dann Entscheidung des Skippers, auf See abzuwarten und ein Gewitter vor sich vorbeiziehen zu lassen. Oder in das Gewitter hinein zu segeln.

„Am gefährlichsten ist der Blitz.“

Laut dem Versicherungsexperten Robert Perger von der SeaHelp Insurance Broker GmbH gibt es auffallend wenig Schäden durch Blitzeinschläge auf Jachten – zwischen 0,1% und 3% aller überhaupt gemeldeten Schäden in einem Jahr. Verletzte oder gar aufgrund von Blitzeinschlag tödlich verunglückte Segler waren nicht nachweisbar. Typische Schäden bei Blitzeinschlag sind zerfetzte Verklicker und Antennen, an der Einschlagstelle verrußte Stagen und Wanten und zerstörte Bordelektronik. Augenzeugen berichten von einem unglaublich lauten Knall.

Gefährlicher für jede Besatzung sind Böen und Sichtverlust. Beides kann zu dem führen, was bei Yachtversicherern im Gegensatz zum Blitz als häufige Unfallursachen geführt werden: Grundberührung und Kollision. Wer im Gewitter zwischen den kroatischen Inseln sich nicht vorher seine Position in der Seekarte notiert und mitkoppelt, kommt bei Sichtverlust und möglichem Ausfall von GPS und Kartenplotter in Schwierigkeiten.

„Im Gewitter auf See lasse ich immer die Segel stehen.“

Spätestens wenn harte Fallböen aus unterschiedlichen Richtungen auf das Tuch eindreschen, sind Segel nutzlos, ja sogar hinderlich. Und oft genug zerreißen sie auch. Von Gewitterböen zerfetzte Vorsegel gehören zum kroatischen Gewittersommer.

Ratsamer ist: Segel rechtzeitig bergen und gründlich sichern. Dafür den Motor starten, um ihn als Manövrierhilfe in den Böen benutzen, um rechtzeitig das Boot in die Böen-Hauptrichtung zu drehen. Oder – wenn die Böen zu stark sind – kurzzeitig mit dem Wind in der Hauptböenrichtung ablaufen. Voraussetzung ist genügend Abstand zur Küste. Und anhand der notierten Position jederzeit seinen Standort zu kennen.

Mehr zum Thema „Gewitter auf See“

Weitere wertvolle Hinweise finden sie in den SeaHelp-Artikeln „Was tun, wenn es auf See blitzt und donnert?“ sowie „Bora, Jugo, Nevera/Neverin bergen unterschiedliche Gefahren“.

Ausführliche Wolkenbilder zum Thema „Höher als breit“ sowie zum Verhalten im Gewitter finden Sie im Buch „Gewittersegeln. Seemannschaft und Grenzerfahrung“ als eBook oder Printausgabe erhältlich.

Tipp der SeaHelp-Redaktion:

Unwetterwarnung für Kroatien per Push-Mitteilung über die SeaHelp-App.

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