Die Zukunft auf dem Wasser ist elektrisch. Nachdem kürzlich erstmals der E-Motor des neuen Porsche Macan in eine Frauscher 850 Fantom Air implantiert wurde, stellte BMW in Cannes jüngst sein neues Elektroboot THE ICON vor, das mit eigenen Akkupacks und einem Antrieb von Torqeedo läuft. Das Besondere an diesem futuristisch anmutenden Boot: es ist ein Foiler. SeaHelp stellt an dieser Stelle in loser Folge interessante, zukunftsweisende Projekte im Bereich alternativer Antriebe und der E-Mobilität auf dem Wasser vor.
Die Zukunft auf dem Wasser ist elektrisch – daran gibt es keinen Zweifel. In loser Folge stellen wir neue, innovative Projekte vor, die sich alternativen Antrieben und E-Antrieben auf Booten widmen (siehe schon unsere News zu ed-tec des ehemaligen Chefstrategen von VW, Michael Jost, und zu dem H2C-Boat, das eine Fuel-Cell an Bord hat, zum neuen Porsche-Boot und zu dem neuen E-Außenborder von Mercury).
Auf dem Wasser herrscht derzeit bezüglich neuer, alternativer Antriebe eine neue Gründerzeit: hatten sich in der jüngsten Vergangenheit Unternehmen mit elektrisch angetriebenen Booten geschmückt, um ihre Marke grünzuwaschen (wie beispielsweise der Diesel-Riese Deutz mit dem Startup Torqeedo – allerdings mit zweifelhaftem Erfolg, wie das Manager-Magazin in seiner jüngsten Ausgabe 11/23 berichtete), so wurden im Herbst dieses Jahres gleich mehrere ernstzunehmende Projekte im Bereich der kräftigen, exklusiven Boote Realität.
Einem Paukenschlag gleich kam etwa die Vorstellung des neuen, 8,67 Meter langen und 2,49 Meter breiten Porsche-Sportbootes (Tiefgang bei Trimm unten: 0,9 Meter). Die Frauscher x Porsche 850 Fantom Air wird von dem E-Motor des neuen Porsche-SUV Macan befeuert, der erst im Frühjahr des nächsten offiziell vorgestellt wird.
Der Name des futuristisch anmutenden BMW-Bootes: THE ICON
Nun folgte in Cannes die nächste spektakuläre Vorstellung im Bereich alternativer Antriebe und E-Mobility auf dem Wasser. Der Name des futuristisch anmutenden Bootes, welches von Autobauer BMW und dem Startup um den ehemaligen Torqeedo-Chef Christoph Ballin gemeinsam entwickelt wurde: THE ICON.
Nun hat also auch BMW, einem Trend in der Branche folgend, sein eigenes Boot. Der Münchener Autobauer präsentiere nach eigenen Aussagen mit der THE ICON „ein Fahrzeug für emissionsfreie Mobilität auf dem Wasser“, das „für ein holistisch gedachtes Ökosystem“ stehe, das emissionsfreie Mobilität neu definiere und ab sofort neben dem Straßenverkehr auch die Fortbewegung auf dem Wasser mit einbeziehe.
Denn, so der Autobauer weiter: „insbesondere in städtischen Ballungsgebieten braucht es neue und nachhaltigere Lösungen“, die für die dort lebenden Menschen relevant seien. Für die Entwicklung und Umsetzung von THE ICON zeichnete der Bootshersteller Tyde, ein Startup des Torqeedo-Gründers und (ehemaligen) -geschäftsführers Christoph Ballin, verantwortlich. Das Design des innovativen Wasserfahrzeugs ist im Studio der BMW Group-Tochter Designworks entstanden.
Bei THE ICON hat sich die langjährige Erfahrung von BMWi auf dem Gebiet der Elektromobilität mit der Expertise des Bootsherstellers Tyde verbunden
Bei dem neuartigen Konzept nutzte BMW den Transfer von vorhandenen Technologien und Wissen und habe eine „ganzheitliche Lösung für nachhaltige Premium-Mobilität im urbanen Umfeld“, geschaffen, so BMW. Die langjährige Erfahrung der Marke BMWi auf dem Gebiet der Elektromobilität habe sich bei dem Projekt THE ICON mit der Expertise des Bootsherstellers Tyde verbunden. Mit zukunftsweisendem Design und lokal emissionsfreiem Antrieb stehe THE ICON zugleich für eine fortschrittliche Interpretation von Luxus in Form von verantwortungsbewusstem Genuss.
Seinen ersten Auftritt hatte THE ICON im Mai bei den Filmfestspielen von Cannes. Der Wassersport- und Yacht-Szene wurde das E-Boot dann beim Cannes Yachting Festival, auf der Monaco Yacht Show und bei den Les Voiles de Saint-Tropez präsentiert. SeaHelp ging in Cannes an Bord und fuhr das futuristisch anmutende Boot.
THE ICON setzt mit seinem batterieelektrischen Antrieb in mehrfacher Hinsicht neue Maßstäbe
Mit einer Länge von 13,15 Metern und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Knoten (55,5 km/h, Werftangaben) will THE ICON nach eigenen Aussagen „der Pionier eines neuen Typs von Wasserfahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb“ sein. „Konzipiert von BMW und entworfen von Designworks, einer Tochtergesellschaft der BMW Group mit Studios in Los Angeles, München und Shanghai, lag die Entwicklung und Umsetzung dieses einzigartigen Konzepts komplett in unseren Händen“, sagt Christoph Ballin, Geschäftsführer des Yachtherstellers Tyde.
Mit seinem batterieelektrischen Antrieb setzt THE ICON in mehrfacher Hinsicht neue Maßstäbe im Wettbewerbsumfeld. Denn: bisher war die maritime Elektromobilität auf kleinere, langsamere Fahrzeuge mit vergleichsweise geringer Reichweite beschränkt. Das Segment der größeren und schnelleren Boote mit größerer Reichweite wurde hingegen bis dato zu 100 Prozent von Modellen mit „klassischen“ Verbrennungsmotoren dominiert.
Unterwasserflügel, sogenannte Hydrofoils, senken den Energiebedarf im Vergleich zu einem herkömmlichen Rumpf um bis zu 80 Prozent
„THE ICON definiert die Beziehung zwischen den Dimensionen Größe, Höchstgeschwindigkeit und Reichweite eines elektrisch angetriebenen Wasserfahrzeugs neu“, sagt Christoph Ballin bei der Testfahrt selbstbewusst. Möglich mache das eine Innovation aus dem Segelsport: Unterwasserflügel, sogenannte Hydrofoils (bekannt etwa vom America´s Cup), würden den Energiebedarf im Vergleich zu einem herkömmlichen Rumpf um bis zu 80 Prozent senken.
Durch die ausgeklügelte Foiling-Technik, bei der das Fahrzeug auf Flügeln unterhalb des Wasserspiegels ruht, während der Rumpf über der Wasseroberfläche schwebt, werde außerdem ein höherer Fahrkomfort sowie eine höhere Geschwindigkeit erreicht, so Ballin.
Zwei 100-kW-Elektromotoren der Deep Blue-Serie von Torqeedo wandeln den Energieinhalt von 240 kWh aus sechs Batterien (aus BMW-Produktion) in eine Reichweite von über 50 Seemeilen (100 Kilometer) bei einer Geschwindigkeit von 24 Knoten (44,5 km/h) um.
Trotz Wellen gleitet THE ICON bei unserem Test vor Cannes nahezu geräusch- und vibrationslos durchs Wasser
Mit seinem innovativen Antrieb von Torqeedo und dank der Foiling-Technologie, bei der Tausende von cumputergesteuerten Berechnungen pro Millisekunde in Kombination mit Dutzenden von Sensoren stets den optimalen Anstellwinkel der Unterwasser-Flügel berechnen, ermöglicht THE ICON bei unserem Test vor Cannes tatsächlich ein nahezu lautloses Dahingleiten ohne Vibrationen, obwohl es am Tag unseres Sea-Trials 20-30 Zentimeter hohe Wellen gab.
Die niedrige Bauweise und die – bezogen auf die Bootslänge – großzügigen Proportionen des Rumpfes ermöglichen die Nutzung des luxuriös anmutenden Innenraums fast auf der gesamten Breite von immerhin 4,5 Metern. Der beidseitig aus dem Rumpf aufragende Mittelrücken, der das Rückgrat des Wasserfahrzeugs bildet, beherbergt die technischen Komponenten wie moderne LED-Lichtleisten an Bug und Heck sowie die Lade-Anschlusspunkte.
Die Aufbaukarosserie verfügt über eine Origami-Leichtbaustruktur und im gesamten Innenraum gibt es für die Passagiere Stehhöhe. „Großzügige Glaswände bieten den Passagieren einen großzügigen Ausblick, während sie über das Wasser gleiten und das luxuriöse Ambiente an Bord genießen“, sagt Christoph Ballin.
An- und Ablegemanöver gestalten sich als schwierig, und ein WC an Bord gibt es nicht
So weit, so gut. Uns stellt sich allerdings die Frage, wer eigentlich genau die Zielgruppe dieses Bootes sein soll – Manager von großen Firmen, die schnell mal von Cannes nach Monaco oder raus zu einer Superyacht geshuttelt werden sollen?
Dann dürfte die Fahrt allerdings nicht allzulange dauern, denn THE ICON verfügt über keinerlei sanitäre Einrichtungen. Und: beim An- und Ablegen vom Steg braucht es stets eine zweite helfende Hand, welche die Leinen am Bug befestigt oder löst, denn weder von innen noch „außenherum“ gibt es für Skipper, Gäste oder Crew die Möglichkeit, aufs Vorschiff gelangen zu können.
Nichtsdestotrotz dürfte THE ICON durch die Kombination mit Foils tatsächlich Maßstäbe setzen in puncto Höchstgeschwindigkeit (bezogen auf Bootsgewicht und -länge) sowie Reichweite eines E-Bootes. Wer weiß – vielleicht gehört, was heute noch wie ein ungewohntes, gerade Realität gewordenes Zukunftsprojekt erscheint, in ein paar Jahren schon zum gewohnten Alltag?
Heute noch schwer vorstellbar, aber durchaus wahrscheinlich. BMW und Tyde haben hier auf jeden Fall „den Fuß in der Tür“ und haben sich durch ihren technischen und zeitlichen Vorsprung bei der Entwicklung und Vorstellung eines entsprechenden Prototyps eine gute Startposition für den Markt der emissionsfreien Zukunft auf dem Wasser gesichert.
Weitere Infos: tyde.one
Technische Spezifikationen:
Länge über Alles: 13,15 m
Länge Wasserlinie: 12,95 m
Breite: 4,50 m
Verdrängung: 10 – 11 t
Tiefgang als Verdränger / mit Foils: 1,87 / 0,85 m
Passagiere: 8
Hauptantrieb: 2 x 100 kW E-Motoren von Torqeedo (Deep Blue 100i)
Batterie-Kapazität: 240 kWh
Höchstgeschwindigkeit: 30 kn / 55,5 km/h
Größte Reichweite: 50 sm bei 24 kn Speed (92 km bei 44,5 km/h)